Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Herr«, sagte Bekim. »Aderlaß und Amputieren, mehr kann der nicht.«
    Ich betrachtete die Wunde. Sie war gerötet, der Schenkel angeschwollen, und das Bein schmerzte scheußlich.
    »Vielleicht brauchen wir ihn ja noch«, sagte ich. »Laß uns aber nicht über fehlende Beine reden. Angenommen, es heilt wieder. Was hast du vor?«
    Er zerrieb die Kräuter, wie der Bader empfohlen hatte. »Die sollen Dreck aus der Wunde ziehen, Herr. Laß mich ...«
    Er befeuchtete sie und legte sie auf die Wunde. Während er ein sauberes Tuch um meinen Oberschenkel wickelte, sagte er: »Dein Feind, Karim Abbas ... Er ist mein Herr, aber er hat mich noch nie gesehen. Alle Befehle kamen von anderen Dienern, meistens von Omar, seinem wichtigsten Mann. So, das müßte halten, aber morgen müssen wir das erneuern.«
    »Kennst du dich mit Wunden aus?«
    »Was man unter Soldaten so sieht. Und vorher hört und sieht, unter Bauern und Schafhütern. Ich kenne mich mit Kräutern aus, Herr, und mit Waffen.« Er lachte. »Nicht nur mit der Schleuder. Aber damit besonders gut.«
    »Ich habe es gesehen. Noch einmal – was hast du vor? Zu Karim kannst du nicht zurück; der Befehl, in der Festung zu bleiben, galt ja auch für dich. Willst du zurück zu den Schafen?«
    Er hob die Schultern. »Nein, Herr, aber was soll ich sonst tun? Ich habe nichts anderes gelernt als Hüten und Dienen.«
    Ich schob ein dünnes Kissen unter das rechte Knie. »Dann sag mir zuerst, was du von der Wunde hältst.«
    »Vielleicht wird sie bald brennen. Wundbrand, Herr. Dann bist du in ein paar Tagen tot. Ich glaube, es wäre jetzt schon zu spät, um das Bein abzunehmen; das hätte spätestens gestern geschehen müssen.«
    »Ich höre es mit Vergnügen. Du heiterst mich auf. Gib mir ein wenig Wein.«
    Er füllte einen Becher und reichte ihn mir. »Ich glaube es aber nicht«, sagte er dabei. »Das war ein glatter Stich, sauber, könnte man sagen. Es könnte ein wenig eitern und dann heilen; vielleicht müssen wir morgen oder übermorgen ein bißchen schneiden, damit Eiter abfließen kann.«
    Ich trank. Die Aussicht, hier innerhalb weniger Tage zu sterben, ohne etwas für Laura und gegen Karim Abbas tun zu können, entsetzte mich. Nicht wegen meines Todes; dem Tod war ich oft so nah gewesen, daß ich gewissermaßen seinen fauligen Atem hatte riechen und seine Reißzähne sehen können. Ich dachte an Laura. An die Kinder. Dann schob ich die trüben Bilder, die sich nicht vor, sondern hinter meinen Augen aufbauten und bewegten, beiseite.
    »Es wird heilen. In ein paar Tagen will ich nach Dubrovnik, mit dem nächsten erreichbaren Schiff. Und von dort nach Trebinje. Du kannst mitkommen und mir helfen. Du kannst aber auch gehen und tun, was du willst.«
    Bekim betrachtete mich; ich glaubte, eine Mischung aus Hoffnung, Zweifel und Ratlosigkeit in seinem Gesicht zu lesen.
    »Ich weiß nicht, Herr«, sagte er. »Ich habe noch nie tun können, was ich wollte; ich kenne mich damit nicht aus. Dubrovnik? Warum nicht? Aber was sollte ich dort tun? Ich habe kein Geld, und außer kämpfen und dienen und« – er lachte kurz – »Schafe hüten kann ich nichts.«
    »Schafe habe ich nicht. Kämpfen? Das wird sich wahrscheinlich nicht vermeiden lassen, und dienen – sagen wir helfen.«
    Er wartete, ohne mich anzuschauen.
    Ich überlegte. »Was hat dir Karim gezahlt?«
    Er bleckte die Zähne. »Nichts.«
    »Ah, das kenne ich von den europäischen Fürsten; ich dachte immer, bei den Osmanen wäre das anders.«
    Bekim nickte. »Die Janitscharen werden regelmäßig bezahlt. Aber wir, aus den Sklavenvölkern? Essen, ein Zelt und Waffen, mehr nicht.«
    »Das ist mehr als bei uns. Waffen muß man bei unseren Herrschern mitbringen und für das Essen selber sorgen.«
    Bekim schwieg wieder.
    »Hör zu«, sagte ich. »Im Reich bekommt ein Landsknecht meistens nichts und auf dem Papier einen halben Gulden im Monat – das ist eine halbe Zechine oder ein halber Altun, ungefähr. Im Einsatz gibt es das Achtfache, ›Sturmsold‹. Aber der wird nie ausgezahlt. Du hast also weder dem Sultan noch Karim Abbas Treue geschworen?«
    Er zögerte; dann lachte er. »Ich habe ein bißchen geschworen, aber die Fahne, auf die ich geschworen habe, war löchrig, also ist auch das Gelübde voller Löcher.«
    »Nahrung, Unterkunft, Waffen und eine Zechine im Monat?«
    Bekim rutschte von dem Stuhl, auf dem er gesessen hatte, zu Boden und kniete neben meinem Lager. »Worauf soll ich schwören, Herr?«
    »Ich brauche keinen

Weitere Kostenlose Bücher