Das Labyrinth
Hackbeil folgte und sagte: »Hier können Sie nicht rein.«
An der Rückseite des Raumes befanden sich Säcke mit Holzspänen und Hühnerschrot, ein Kühlschrank mit einem Kalender des Jahres der Ratte und Regale, auf denen hohe Gefäße für Tees, getrocknete Pilze, Chinakohl und wie Menschen geformte Ginsengwurzeln sowie flache Gefäße standen, die auf russisch und chinesisch die Aufschriften »Schwarzbär-Galle«, »Drachenblut« und »Rhinozeros-Horn« trugen. Warum eine gefährdete Art wegen eines angeblichen Aphrodisiakums getötet wurde, war Arkadi unerklärlich.
»Sie dürfen hier nicht rein«, wiederholte das Mädchen, das höchstens zwölf war. Das Beil war so lang wie ihr Arm.
Arkadi entschuldigte sich und drehte sich um. Eine zweite Tür führte zu einer Treppe, die mit Vogelfutter übersät war und vor einer Metalltür endete. Er klopfte und drückte sich gegen die Wand. »Kim, wir wollen Ihnen helfen. Kommen Sie raus, damit wir reden können. Wir sind Freunde.«
Jemand war in dem Raum. Arkadi hörte, wie ein Dielenbrett knarzte und Papier raschelte. Er warf sich gegen die Tür, die prompt aufsprang, und betrat einen Speicher, der bis auf einen in der Mitte des Raumes brennenden Schuhkarton dunkel war. Er roch das Feuerzeugbenzin, das auf den Karton gegossen worden war. An den Wänden stapelten sich Kartons, wie sie für die Verpackung von Fernsehgeräten verwendet wurden, und auf dem Boden lag eine Matratze neben einem Werkzeugkasten und einer Heizplatte. Arkadi zog die Vorhänge beiseite und blickte aus dem offenen Fenster auf eine Feuerleiter, die hinunter in den Hof führte, der knietief mit Unrat aus dem Tierladen bedeckt war - Vogelfuttersäcken, Drahtnetzen und toten Küken in heillosem Durcheinander. Wer immer in diesem Raum gewesen sein mochte, war jetzt verschwunden. Arkadi versuchte, das Licht anzuschalten. Die Glühbirne war ebenfalls verschwunden. Das verriet Weitblick.
Arkadi inspizierte die Örtlichkeit, sah hinter die Kisten, bevor er sich dem Feuer näherte. Das Geräusch des brennenden Schuhkartons war zugleich gedämpft und heftig, ein Feuersturm en miniature. Es war kein Schuhkarton. Auf der Seite stand »Sindy«, und daneben war eine Puppe mit einem blonden Pferdeschwanz abgebildet, die an einem Tisch saß und Tee eingoß. Er kannte das Bild: Sindy-Puppen gehörten zu den beliebtesten Importartikeln und waren in der Auslage praktisch aller Moskauer Spielzeuggeschäfte zu sehen - freilich unverkäuflich. Die Abbildung auf dem Karton zeigte auch einen Hund, vielleicht einen Pekinesen, der zu Füßen der Puppe saß und mit dem Schwanz wedelte.
Jaak stürzte in den Raum und wollte das Feuer austreten.
»Laß das.« Arkadi zog ihn zurück.
Die Brandlinie fraß sich in das Bild. Als Sindys Haare Feuer fingen, begann sich ihr Gesicht erschreckt zu schwärzen. Sie schien die Teekanne höher zu heben und plötzlich aufrecht zu stehen, als ihre obere Hälfte von den Flammen verzehrt wurde. Der Hund wartete geduldig, bis die Pappe um ihn herum verbrannt war. Schließlich war die ganze Schachtel schwarz, verkrumpelt und mit einem Spinnennetz von roten Linien überzogen, die grau und immer feiner wurden, bedeckt mit einer Aschenschicht, die Arkadi schließlich fortblies. Zum Vorschein kam eine Tretmine, leicht angekohlt, die beiden Berührungskontakte unversehrt und auf Jaaks niedertretenden Fuß wartend.
Arkadi zeichnete einen Cartoon-Wagen auf ein Stück Papier. Bleistifte, dachte er, waren im Grunde das einzige, was ihm fehlte. Zur Ausstattung des rehabilitierten Chefinspektors Renko gehörten ein Schreibtisch und ein Konferenztisch, vier Stühle, ein Aktenschrank und ein Safe mit Kombinationsschloß. Außerdem zwei tragbare »Delu-xe«-Schreibmaschinen, zwei rote Telefone mit der Möglichkeit, außerhalb des Hauses anzurufen, und zwei gelbe Gegensprechanlagen. Das Büro hatte zwei mit Vorhängen versehene Fenster, eine an der Wand hängende Karte von Moskau, eine zusammenschiebbare Wandtafel, einen elektrischen Samowar und einen Aschenbecher.
Auf dem Tisch breitete Polina gerade eine schwarzweiße 360-Grad-Aufnahme der Baustelle aus und legte detaillierte Farbaufnahmen des ausgebrannten Wagens und des Fahrers daneben. Minin beugte sich eifrig vor. Jaak, seit vierzig Stunden ohne Schlaf, bewegte sich wie ein Boxer, der versuchte wieder auf die Beine zu kommen, bevor er ausgezählt wurde.
»Es war der Wodka, der das Feuer so schlimm gemacht hat«, sagte Jaak.
»Jeder denkt sofort
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