Das Labyrinth
an Wodka«, sagte Polina abschätzig.
»Was wirklich brennt, sind die Sitze, die sind aus Polyurethan. Deswegen fangen Wagen so schnell Feuer. Sie bestehen vor allem aus Plastik, und das Zeug haftet an der Haut wie Napalm. So ein Wagen ist letztlich nur ein brennbarer Untersatz auf Rädern.«
Arkadi vermutete, daß Polina in den Pathologiekursen diejenige gewesen war, die die besten Berichte geschrieben hatte - illustriert und mit peinlich genauen Fußnoten versehen.
»Auf den Fotos hier ist Rudi zu sehen, wie er noch im Wagen sitzt, und dann, nachdem wir ihn abgeschält und herausgehoben haben. Hier eine Aufnahme durch die Sitzfedern, um zu zeigen, was ihm aus den Taschen gefallen ist: intakte Schlüssel, mit der Fußmatte verschmolzene Kopeken, dazu ein paar Dinge vom Rücksitz sowie Überreste unseres Senders. Die Tonbänder sind natürlich verbrannt, falls überhaupt je etwas drauf war. Auf dem ersten Foto da sehen Sie, daß ich eine Stelle neben dem Kupplungspedal rot eingekreist habe.«
Sie hatte es wirklich, genau neben Rudis verkohlten Schienbeinen und Schuhen. »Rund um diese Stelle befanden sich Spuren von Kupfersulfat und rotem Natrium, wie sie häufig in Brandsätzen zu finden sind. Da wir keinerlei Reste einer Zeituhr oder eines Zünders gefunden haben, nehme ich an, daß es sich um eine Bombe handelte, die auf Druck reagierte. Da war auch Benzin.«
»Aus dem Tank, als er in die Luft flog«, sagte Jaak.
Arkadi zeichnete ein Strichmännchen in den Wagen und mit einem roten Filzschreiber einen Kreis um die Füße des Strichmännchens. »Was ist mit Rudi?«
»Fleisch ist in diesem Zustand hart wie Holz, und Knochen brechen, sobald man zu schneiden beginnt. Es ist schwer genug, die Stoffreste abzulösen. Aber ich habe Ihnen das hier mitgebracht.« Polina zog einen frischpolierten Granatstein und einen Goldklumpen aus einem Plastikbeutel - alles, was von Rudis Ring übriggeblieben war.
»Haben Sie seine Zähne untersucht?«
»Hier ist ein Diagramm. Das Gold ist wohl ausgelaufen, ich hab es nicht mehr gefunden. Aber es gibt Anzeichen für eine Füllung im zweiten unteren Backenzahn. Das sind natürlich nur vorläufige Ergebnisse, der vollständige Bericht steht noch aus.«
»Ich danke Ihnen.«
»Nur eines noch«, fügte Polina hinzu. »Es gibt zuviel Blut.«
»Rudi ist wahrscheinlich ganz schön zerfetzt worden«, sagte Jaak.
Polina sagte: »Leute, die durch Flammen umkommen, explodieren nicht. Sie sind keine Würste. Trotzdem habe ich überall Blut gefunden.«
Arkadi stöhnte leise auf. »Vielleicht hat sich der Täter verletzt.«
»Ich habe Proben ans Labor geschickt, um die Blutgruppe zu bestimmen.«
»Gute Idee.«
»Danke.« Mit emporgerecktem Kinn, das weitere Vorgehen von jetzt an mit leichter Verachtung verfolgend, sah Polina mehr denn je wie eine Katze aus.
Jaak zeichnete die Umrisse des Marktes auf die Wandtafel und markierte die Stellen, an denen sich Rudis Wagen, Kim, die Käuferschlange und, in einer Entfernung von zwanzig Metern, der Lastwagen mit den Videorecordern befunden hatten. In weiterem Umkreis die Positionen des Krankenwagens und des Computerverkäufers und noch weiter dann die Standorte der Zigeuner, der Rocker, der Teppichhändler und des Schiguli.
»Es war viel los in dieser Nacht. Wenn ich an die Tschetschenen denke, muß ich sagen, wir hatten noch Glück, daß nicht das völlige Chaos ausgebrochen ist.« Jaak starrte auf die Tafel.
»Unser einziger Zeuge behauptet, daß Kim Rudi getötet hat. Zuerst hatte ich Probleme, das zu glauben, aber wenn ich mir jetzt hier ansehe, wer wirklich nahe genug stand, um die Bombe zu werfen, scheint es mir gar nicht mehr so unsinnig.«
»Das haben Sie aus dem Gedächtnis gezeichnet - nach dem, was Sie in dem Durcheinander gesehen haben?« fragte Polina.
»So ist es meist im Leben.« Arkadi suchte in seinem Schreibtisch nach Zigaretten. Kein Schlaf? Ein bißchen Nikotin würde ihn wachhalten. »Womit wir es hier zu tun haben, ist ein Schwarzmarkt. Nicht der übliche Wochenmarkt für friedliche Bürger am hellichten Tage. Ein nächtlicher Schwarzmarkt für Kriminelle. Ein neutrales Territorium und ein sehr neutrales Opfer.« Er erinnerte sich, daß Rudi sich selbst als die Schweiz bezeichnet hatte.
»Wenn man es sich richtig überlegt, war das so etwas wie eine Spontanzündung«, sagte Jaak. »Wenn nur genügend Schlägertypen, Drogen, Wodka und überdies noch ein paar Handgranaten zusammenkommen, muß so was im
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