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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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weder müde noch hungrig. Er fühlte sich wie der vollkommene neue Sowjetmensch, Bürger eines Landes ohne Nahrungsmittel und Ruhe. Er stand auf und verließ das Büro. Genug.
     
    Auf jedem Stockwerk überspannte ein Drahtnetz das Treppenhaus, um »Taucher« abzufangen - Gefangene, die zu fliehen versuchten. Vielleicht nicht nur Gefangene, dachte Arkadi, als er nach unten ging.
    Der auf dem Hof geparkte Schiguli stand neben einem blauen Lieferwagen, an dessen vordere Stoßstange zwei Hunde mit struppigem Fell gebunden waren. Offiziell standen Arkadi zwei Wagen zur Verfügung, doch seine Benzingutscheine reichten nur für einen, da die Ölquellen in Sibirien von Deutschland, Japan und sogar vom Bruderland Kuba angezapft wurden und für den eigenen Verbrauch nur ein dünnes Rinnsal blieb. Aus seinem Zweitwagen hatte er überdies den Verteiler und die Batterie ausbauen müssen, um den ersten benutzen zu können, denn wenn er den Schiguli in die Werkstatt geschickt hätte, hätte er ihn ebensogut auf eine Reise um die Welt schicken können, wo er im Hafen von Kalkutta oder Port Said in seine Einzelteile zerlegt worden wäre. Das Benzinproblem war schon schlimm genug. Benzinmangel war auch der Grund, weshalb Verteidiger des Staates nachts mit Absaugschläuchen und Kanistern von Wagen zu Wagen schlichen. Und der, weshalb Hunde an Stoßstangen angebunden wurden.
    Arkadi stieg auf der Beifahrerseite ein und rutschte hinter das Steuerrad. Die Hunde versuchten an seiner Tür hochzuspringen. Er betete und drehte den Zündschlüssel. Ah, der Tank ein Zehntel voll! Es gab noch einen Gott.
    Er bog zweimal rechts ab und gelangte in die Gorki-Straße mit ihren erleuchteten Schaufenstern. Was gab es zu kaufen? In einer aus Sand und Palmen geschaffenen Szenerie stand ein Glas Guavenkonfitüre auf einem Sockel. Im nächsten Geschäft kämpften Schaufensterpuppen um einen Ballen Baumwolle. Lebensmittelgeschäfte stellten Räucherfische aus, die wie Öllachen schimmerten.
    Auf dem Puschkin-Platz drängte sich eine Menschenmenge. Noch vor einem Jahr hatten sich die friedlich miteinander wetteifernden Megaphone gegenseitig toleriert. Ein Dutzend verschiedener Flaggen waren geschwenkt worden - lettische, armenische und die rotweiß-blauen der zaristischen Demokratischen Front. Jetzt gab es nur noch die Flagge der Front und, auf der anderen Seite der Stufen, das rote Banner des Komitees für die Rettung Rußlands. Um sie herum scharten sich jeweils etwa tausend Anhänger, die versuchten, ihre Opponenten zu überschreien. Zwischendurch gab es immer wieder Zusammenstöße, hier und da fiel jemand zu Boden, wurde mit Füßen getreten oder weggezogen. Die Miliz hatte sich diskret an die Seiten des Platzes und in die Eingänge der Metro zurückgezogen. Touristen beobachteten das Geschehen aus sicherem Abstand von McDonalds aus.
    Die Wagen wurden angehalten, aber Arkadi bog in einen platanenbestandenen, von Lichtern und Lärm der Straße abgeschirmten Hof, in dem die Stühle und Tische eines Kinderspielplatzes nur darauf zu warten schienen, daß ein Brummbär auftauchte und Tee einschenkte. Am anderen Ende gelangte er auf eine Straße, deren Bürgersteige durch parkende Lastwagen versperrt wurden. Es waren schwere Militärfahrzeuge, die Ladeflächen mit Segeltuchplanen überdeckt. Neugierig geworden, hupte Arkadi. Eine Hand schob eine Plane beiseite. Dahinter saßen Angehörige der Spezialtruppen in grauen Uniformen und schwarzen Helmen, mit Schilden und Schlagstöcken. Bewaffnete Schlafgestörte - die schlimmsten ihrer Art, dachte Arkadi.
     
    Das Büro des Oberstaatsanwalts hatte ihm ein modernes Apartment in einem am Rande der Stadt gelegenen, von Apparatschiks und jungen Beamten bewohnten Hochhaus angeboten, aber Arkadi brauchte das Gefühl, in Moskau zu sein. Und das war er in jenem von Moskwa und Jausa gebildeten Winkel, in dem dreistöckigen Gebäude hinter der früheren Kirche, wo jetzt Einreibemittel und Wodka produziert wurden. Der Turm der Kirche war für die Olympiade 1980 vergoldet worden, aber im Inneren standen galvanisierte Tanks und Flaschenabfüllmaschinen. Woher wußten die Destillateure, welcher Teil ihrer Produktion Wodka und welcher zum Einreiben bestimmter Alkohol war? Oder war das ohnehin egal?
    Als er die Scheibenwischer und den Seitenspiegel für die Nacht abmontierte, erinnerte sich Arkadi an Jaaks Radio, das immer noch im Kofferraum lag. Mit dem Radio, den Wischern und dem Spiegel in der Hand, wandte er sich dem

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