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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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passiert?«
    »Meine Meinung? Rudi war Jude, und Juden glauben, sie könnten ihr Mahl mit dem Teufel teilen, ohne daß ihnen die Nase abgebissen wird. Vielleicht kannte Rudi zu viele Teufel.«
    An sechs Tagen der Woche hatten Rudi und Mahmud zusammen Mokka getrunken, während sie um Wechselkurse feilschten. Arkadi überlegte, wie der dicke Rudi mit dem knochendürren Mahmud an einem Tisch gesessen hatte, und fragte sich, wer da wohl wen verspeist hatte.
    »Sie waren der einzige, vor dem er Angst hatte.«
    Mahmud wies das Kompliment zurück. »Wir hatten keine Probleme mit Rudi. Andere Leute in Moskau sind der Ansicht, die Tschetschenen sollten zurück nach Grosni, nach Kasan und Baku.«
    »Rudi sagte, Sie hätten ihn auf der Abschußliste gehabt.«
    »Eine glatte Lüge.« Mahmud wies die Vorstellung von sich wie ein Mann, der gewohnt ist, daß man ihm glaubt.
    »Es ist schwer, mit den Toten zu streiten«, bemerkte Arkadi so taktvoll wie möglich.
    »Haben Sie Kim?«
    »Rudis Leibwächter? Nein. Er ist wahrscheinlich hinter Ihnen her.«
    Mahmud beugte sich vor und sagte: »Beno, könnten wir etwas Kaffee haben?«
    Beno reichte eine Thermosflasche, kleine Tassen und Untertassen, Löffel und eine Packung Würfelzucker nach hinten. Der Kaffee floß aus der Thermosflasche wie schwarzer Schlamm. Mahmuds Hände waren groß, seine Fingernägel rund. Mochte sein übriger Körper mit zunehmendem Alter zusammengeschrumpft sein - seine Hände waren es nicht.
    »Köstlich«, sagte Arkadi. Wohlige Wärme stieg in ihm auf.
    »Früher einmal hatten die verschiedenen Organisationen der Mafia wirkliche Führer. Antibiotik war ein Theaterpromoter, und wenn ihm eine Show gefiel, hat er das ganze Theater für sich allein gemietet. Er kam aus der gleichen Familie wie Breschnew. Eine Type, ein Halsabschneider, aber man konnte sich auf ihn verlassen. Erinnern Sie sich an Otarik?«
    »Ich erinnere mich, daß er Mitglied des Schriftstellerverbands wurde, obgleich sein Aufnahmeantrag zweiundzwanzig grammatikalische Fehler aufwies«, sagte Arkadi.
    »Schreiben war nicht seine Hauptbeschäftigung. Wie dem auch sei, heute sind die alten Führer durch Geschäftsmänner wie diesen Borja Gubenko abgelöst worden. Früher war ein Bandenkrieg noch ein Bandenkrieg. Heute muß ich aufpassen, daß man mir nicht von zwei Seiten in den Rücken fällt - es können Killer, kann aber auch die Miliz sein.«
    »Was ist mit Rudi passiert? War er in einen Bandenkrieg verwickelt?«
    »Sie meinen einen Krieg zwischen Moskauer Geschäftsmännern und den blutdürstigen Tschetschenen? Wir sind immer die wilden Hunde und die Russen die Opfer. Ich meine nicht Sie persönlich, aber als Nation seht ihr nur zurück in die Vergangenheit. Soll ich Ihnen ein kleines Beispiel aus meinem Leben geben?«
    »Bitte.«
    »Wußten Sie, daß es einmal eine tschetschenische Republik gab? Unsere eigene. Wenn ich Sie langweile, unterbrechen Sie mich. Die schlimmste Unart alter Leute ist, junge Leute zu langweilen.« Noch während er das sagte, packte Mahmud Arkadi wieder am Kragen und brachte ihn auf die richtige Distanz. »Fahren Sie fort.«
    »Einige Tschetschenen haben mit den Deutschen kollaboriert, daher wurde im Februar 1944 in allen Dörfern zu Massenversammlungen aufgerufen. Soldaten waren da und Militärkapellen. Die Leute dachten, es gäbe eine Feier, und so kamen sie alle. Sie wissen, wie diese Dorfplätze sind - ein Lautsprecher an jeder Ecke, aus dem Musik plärrt und Dinge verkündet werden. Nun, es wurde verkündet, daß alle eine Stunde Zeit hätten, mit ihren Familien und Besitztümern das Dorf zu verlassen. Ein Grund dafür wurde nicht angegeben. Eine Stunde. Stellen Sie sich das vor! Zuerst verlegte man sich aufs Bitten, was zwecklos war. Die Panik, als man verzweifelt die kleinen Kinder und die Großeltern suchte, sie zwang, sich warm anzuziehen, und sie aus den Häusern trieb, um ihr Leben zu retten. Die Unsicherheit, was man mitnehmen sollte und was nicht. Ein Bett, eine Kommode, die Ziege? Die Soldaten luden alles auf Lastwagen. Studebaker. Die Leute dachten, daß die Amerikaner dahintersteckten und daß Stalin sie schon retten würde!«
    Die schwarze Iris in Mahmuds Augen schloß sich wie das Objektiv einer Kamera. »Nach vierundzwanzig Stunden gab es keinen Tschetschenen mehr in der Tschetschenen-Republik. Eine halbe Million Menschen. Einfach nicht mehr da. Mit den Lastern wurden sie zu Eisenbahnzügen geschafft, in ungeheizte Güterwaggons verladen, die mitten

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