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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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wurde.
    Ein einziger Mann war je aus dem Butyrski-Gefängnis entkommen, und das war Dserschinski, der Gründer des KGB. Er hatte seine Wärter bestochen, damals bedeutete der Rubel noch etwas.
    »Name?« fragte der Wärter.
    Eine Stimme hinter der Zellentür sagte: »Oberljan.«
    »Anklage?«
    »Spekulation, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Weigerung, mit den entsprechenden Organen zusammenzuarbeiten - ach, verdammt noch mal, ich weiß es nicht.«
    Die Tür öffnete sich. Gari stand mit entblößtem Oberkörper in der Zelle, das Hemd wie einen Turban um den Kopf gewickelt. Mit seiner gebrochenen Nase und der tätowierten Brust sah er eher aus wie ein seit vielen Jahren auf einer verlassenen Insel ausgesetzter Pirat, nicht wie ein Mann, der eine Nacht im Gefängnis verbracht hatte.
    »Spekulation,  Widerstand  und  Verweigerung. Ein großartiger Zeuge«, sagte Jaak.
    Das Vernehmungszimmer war von klösterlicher Einfachheit: hölzerne Stühle, ein Metalltisch, ein Bild von Lenin. Arkadi füllte das Vernehmungsprotokoll aus - Datum, Ort, seinen eigenen Namen: »Ermittler besonders wichtiger Fälle im Auftrage des Oberstaatsanwalts der UdSSR verhörte Oberljan, Gari Semjonowitsch, geboren am 3.11.1960 in Moskau, Paßnummer RS AOB 425807, armenischer Nationalität …«
    »Versteht sich«, sagte Jaak.
    Arkadi fuhr fort: »Ausbildung und Spezialgebiete?«
    »Medizinische Industrie.«
    »Gehirnchirurg«, sagte Jaak.
    Unverheiratet,   Krankenpfleger,   kein Parteimitglied, vorbestraft wegen Körperverletzung und Drogenhandel. »Auszeichnungen?« fragte Arkadi. Jaak und Gari lachten.
    »Das ist die nächste Frage im Protokoll«, sagte Arkadi.
    »Wahrscheinlich in Erwartung einer besseren Zukunft.«
    Nachdem er die genaue Zeit eingetragen hatte, begann das Verhör, ausgehend von den Angaben, die Jaak bereits am Ort des Verbrechens gemacht hatte. Gari hatte sich von Rudis Wagen entfernt, als er sah, wie der in die Luft flog. Dann hatte Kim die zweite Bombe geworfen.
    »Du hast dich von Rudis Wagen entfernt?« fragte Arkadi. »Wie konntest du dann alles sehen?«
    »Ich bin stehengeblieben, um nachzudenken.«
    »Du bist stehengeblieben, um nachzudenken?« fragte Jaak.
    »Worüber?«
    Als Gari schwieg, fragte Arkadi: »Hat Rudi dir deine Forints und Zlotys gewechselt?«
    »Nein.« Garis Gesicht verdunkelte sich.
    »Da bist du sicher ganz schön wütend gewesen.«
    »Ich hätte ihm beinahe seinen fetten Hals umgedreht.«
    »Wenn Kim nicht gewesen wäre?«
    »Ja. Aber dann hat Kim es für mich erledigt.« Gari strahlte.
    Arkadi machte ein »X« auf ein Blatt Papier und reichte Gari den Kugelschreiber. »Das hier ist Rudis Wagen. Zeichne ein, wo du gestanden hast, und dann, wen du sonst noch gesehen hast.«
    Konzentriert zeichnete Gari ein Strichmännchen mit zittrigen Gliedern. Einen Kasten mit Rädern: »Laster mit elektronischen Geräten.« Zwischen sich selbst und Rudi eine eingeschwärzte Figur: »Kim.« Einen Kasten mit einem Kreuz:
    »Krankenwagen.« Noch einen Kasten: »Vielleicht ein Lieferwagen.« Linien mit Pfeilen: »Zigeuner.« Kleinere Vierecke mit Rädern: »Tschetschenen-Wagen.«
    »Ich erinnere mich an einen Mercedes«, sagte Jaak. »Die waren bereits fort.«
    »Die?« fragte Arkadi. »Wer waren die?«
    »Ein Fahrer, und der zweite war eine Frau.«
    »Kannst du sie zeichnen?«
    Gari zeichnete eine Gestalt mit großem Busen, hohen Hacken und gelocktem Haar. »Vielleicht blond. Ich weiß, daß sie ziemlich was in der Bluse hatte.«
    »Ein wirklich aufmerksamer Beobachter«, sagte Jaak.
    »Du hast sie also auch außerhalb des Wagens gesehen?« sagte Arkadi.
    »Ja, als sie von Rudi kam.«
    Arkadi drehte das Blatt in verschiedene Richtungen. »Gute Zeichnung.« Gari nickte.
    Es stimmte. Mit seinem blau tätowierten Körper und seinem eingeschlagenen Gesicht sah Gari aus wie das Strichmännchen auf dem Papier, durch das Bild etwas menschlicher geworden.
     
    Der Markt am Südhafen wurde durch den ProletariatProspekt und eine Schleife der Moskwa begrenzt. Bestellungen für Neuwagen wurden in einer weißen Marmorhalle angenommen. Niemand ging hinein - es gab keine Neuwagen. Davor hatten Männer Pappe auf dem Boden ausgebreitet, um Siebzehnundvier zu spielen. An den Bauzäunen hingen Zettel mit Angeboten: »Habe Reifen in gutem Zustand für 1985er Schigulis«, und Anfragen: »Suche Keilriemen für 64er Peugeot«. Jaak notierte sich für alle Fälle die Nummer für die Reifen.
    Am Ende des Zauns stand eine Reihe

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