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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Kippen. Arkadi verlangte es nach einer Zigarette, aber er wagte nicht, das hygienische Gleichgewicht der Wohnung zu stören. Rudis einzige fleischliche Schwäche schien das Essen gewesen zu sein.
    Arkadi öffnete den Kühlschrank. Schinken, Fisch und holländischer Käse standen immer noch dort, wo sie hingehörten, und waren selbst für einen Mann verlockend, der gerade Mahmuds Trauben verspeist hatte. Die Vorräte stammten wahrscheinlich von Stockmann, dem finnischen Kaufhaus, das Smörgasbord, ganze Büroeinrichtungen und japanische Autos gegen harte Währung an die in Moskau ansässigen Ausländer lieferte - Gott behüte, daß sie wie Russen leben mußten! Mit seiner wächsernen Rinde schimmerte der Käse wie ein appetitlicher Champignon.
    Polina kam aus der Schlafzimmertür, einen Arm bereits in ihrem Regenmantel. »Untersuchen Sie die Beweismittel, oder wollen Sie sich an ihnen gütlich tun?«
    »Ich bewundere sie. Das hier ist Käse von Kühen, die sich von Gras ernährt haben, das auf Tausenden von Kilometern entfernten Deichen wächst, und er ist nicht einmal so rar wie russischer Käse. Wachs ist eine gute Unterlage für Fingerabdrücke, nicht wahr?«
    »Feuchtigkeit bietet allerdings keine ideale Atmosphäre.«
    »Da drin ist es zu feucht für Sie?«
    »Ich habe nicht gesagt, daß es nicht möglich wäre, ich wollte nur nicht, daß Sie sich zu große Hoffnungen machen.«
    »Sehe ich aus wie ein Mann, der sich große Hoffnungen macht?«
    »Ich weiß nicht. Sie sind heute irgendwie anders.« Es war nicht gerade typisch für Polina, sich einer Sache nicht vollkommen sicher zu sein. »Sie …«
    Arkadi legte einen Finger auf die Lippen. Er hatte ein kaum wahrnehmbares Geräusch gehört, wie das eines Kühlschrankventilators. Aber vor dem standen sie.
    »Ein WC«, sagte Polina. »Jemand geht hier jede Stunde aufs Klo.«
    Arkadi ging zur Toilette und legte die Hand an die Abflußröhre. Gewöhnlich klirrten Abflußröhren wie Ketten. Das Geräusch aber war schwächer, mechanischer als fließendes Wasser, kam aus Rosens Wohnung selbst, nicht von draußen. Es hörte auf.
    »Jede Stunde?« fragte Arkadi.
    »Auf die Minute. Ich habe schon nachgesehen, aber nichts gefunden.«
    Arkadi ging in Rudis Büro. Der Schreibtisch war unberührt, Telefon und Fax waren stumm. Er klopfte gegen das Faxgerät, und ein rotes Lämpchen leuchtete auf. Er klopfte stärker, und das Lämpchen blinkte regelmäßig wie ein Leuchtfeuer. Der Lautstärkeregler war bis zum Anschlag heruntergedreht. Arkadi schob den Schreibtisch vor und fand Faxpapier, das sich zwischen Schreibtisch und Wand geschoben hatte. »Erste Regel jeder Ermittlung: Heb alles hoch, was du findest«, sagte er.
    »Ich habe hier noch keine Abdrücke genommen.«
    Das Papier war noch warm. Oben stand das Übermittlungsdatum und die Uhrzeit, eine Minute früher. Die Nachricht, in englischer Sprache, lautete: »Where is Red Square?«
    Jeder, der einen Stadtplan besaß, hätte beantworten können, wo der Rote Platz lag. Arkadi las die vorangegangene Nachricht. Sie war genau einundsechzig Minuten älter: »Wo ist der Rote Platz?«
    Man brauchte nicht einmal einen Stadtplan. Auf der ganzen Welt würde man eine Antwort auf die Frage bekommen - am Oberen Nil, in den Anden und sogar im Gorki-Park.
    Arkadi fand insgesamt fünf Nachrichten, jede auf die Stunde genau übermittelt, mit der gleichen, beharrlichen Frage:
    »Wo ist der Rote Platz?« Die erste Nachricht wies darüber hinaus noch den Zusatz auf: »Wenn Sie wissen, wo der Rote Platz ist, kann ich Ihnen Kontakte mit internationaler Gesellschaft für zehn Prozent Finderlohn verschaffen.«
    Ein Finderlohn für den Roten Platz, das war leicht zu verdienendes Geld. Das Gerät hatte jeweils auch eine lange Telefonnummer ausgedruckt. Arkadi rief die internationale Auskunft an. Es handelte sich um eine Nummer in München.
    »Haben Sie so ein Gerät?« fragte er Polina.
    »Ich kenne einen Jungen, der eines hat.«
    Immerhin. Arkadi schrieb auf Rudis Briefpapier: »Brauche nähere Informationen.« Polina legte den Bogen ein, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer, die sich mit einem Klingeln meldete. Eine Taste mit dem Befehl »Transmit« leuchtete auf, und als sie sie drückte, wurde das Blatt eingezogen.
    Polina sagte: »Wenn diese Leute versuchen, Rudi zu erreichen, wissen sie nicht, daß er tot ist.«
    »Genau.«
    »Also werden sie auch nur wertlose Informationen haben, und Sie finden sich womöglich in einer peinlichen Situation

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