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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Spitzen ihrer Angelruten mit Lampen bestücken.
    Vielleicht war das Problem nicht Schlaflosigkeit, vielleicht war er verrückt. Warum versuchte er herauszufinden, wer Rudi getötet hatte? Wenn eine ganze Gesellschaft zusammenbrach - was machte es dann aus, wer einen Schwarzmarktspekulanten auf dem Gewissen hatte? Dies jedenfalls war nicht die wirkliche Welt. Die wirkliche Welt war dort draußen, wo Irina lebte. Hier war Arkadi nur ein weiterer Schatten in einer Höhle, in der ohnehin kein Schlaf möglich war.
    Unmittelbar vor ihm zeichnete sich die Silhouette der Basilius-Kathedrale gegen den Himmel ab, eine Schar turbantragender Mohren, indirekt beleuchtet vom reflektierten Flutlicht des Platzes. Im Schatten der Kathedrale patrouillierten etwa hundert Soldaten aus der KremlKaserne in voller Feldausrüstung mit Funksprechgeräten und Maschinenpistolen.
    Der Rote Platz selbst erhob sich vor Arkadi wie ein kopfsteingepflasterter Hügel. Links ragte der Kreml auf, die Backsteine im Licht der Scheinwerfer fast weiß, mit den schwalbenschwanzförmigen Zinnen einer Festung, die sich weit wie die Chinesische Mauer zu erstrecken schien. Die Türme über den Toren, von roten Sternen gekrönt, sahen aus wie Kirchen, die man eingenommen, vertäut und aus Europa hergeschleppt hatte, um sie als Trophäen für einen Zaren zu errichten. Schimmernd im Scheinwerferlicht, stand der Kreml wie ein Monument zwischen Wirklichkeit und Traum, eine gewaltige, bedrückende Vision. Aus dem Spasski-Tor kam eine schwarze Limousine wie eine Fledermaus hervor und irrte über die Steine. Am anderen Ende des Platzes verdeckte eine vier Stockwerke hohe Pepsi-Reklame die Front des ArmeeMuseums. Auf der rechten Seite versank die klassische Steinfassade des GUM, des größten und leersten Kaufhauses der Welt, in der Dunkelheit. Vom Dach des Kaufhauses und von den Mauern des Kreml überwachten ständig Kameras den Platz, doch kein Flutlicht war hell genug, das Tal des Schattens in der Mitte des Platzes zu durchdringen, wo Arkadi sich befand. Jedes Individuum, das sich dort aufhielt, war nicht mehr als ein Punkt auf einem grauen Monitorschirm. Die bloße Größe und die erschrekkende Leere des Platzes waren alles andere als dazu angetan, dem Passanten die Seele zu erheben, sondern sie ließen sie unbedeutend und klein erscheinen.
    Bis auf eine Seele. Als Lenin im Sterben lag, bat er darum, kein Denkmal für ihn zu errichten. Das Mausoleum, das Stalin dann für ihn bauen ließ, war der Gruft gewordene Ausdruck seiner Rache, eine kompakte, stufenförmige Tempelanlage aus Rot und Schwarz unter den Zinnen der Kremlmauer, flankiert von weißen Marmorrängen, auf denen sich die Würdenträger des Staates zusammenfanden, um die Mai-Parade abzunehmen. Lenins Name war in roten Buchstaben über den Eingang des Mausoleums eingemeißelt, neben dem zwei Ehrenwachen standen - Kadetten mit weißen Handschuhen und wachsbleichen Gesichtern -, die vor Müdigkeit schwankten.
    Der Platz war für den gewöhnlichen Verkehr gesperrt, aber als Arkadi sich vom Mausoleum abwandte, rollte ein schwarzer Sil aus der Tscherni-Straße, raste am GUM vorbei auf den Fluß zu und wurde vom Schatten der Basilius-Kathedrale verschluckt. Reifen quietschten, dann ein scharfer Protest, der über den ganzen Platz hallte.
    Der Sil kam zurück. Da seine Scheinwerfer ausgeschaltet waren, erkannte Arkadi zu spät, daß der Wagen direkt auf ihn zufuhr. Er begann, auf das Museum zuzulaufen, die Stoßstange des Sil fast an seinen Fersen, rannte nach links auf das Mausoleum zu, und der große Wagen donnerte an ihm vorbei und schnitt ihm den Weg ab. Arkadi wich ihm aus und schlug die Richtung zur Tscherni-Straße ein. Der Sil legte sich auf die Seite, beruhigte sich wieder und beschrieb einen großen Kreis.
    Als sein Fluchtweg den Bogen des Wagens schnitt, warf sich Arkadi zu Boden. Er rollte sich auf die Seite, sprang wieder auf und wollte in Richtung Basilius-Kathedrale laufen, glitt aber auf den Steinen aus. Scheinwerfer blendeten auf. Er fiel auf ein Knie und legte die Arme über die Augen.
    Der Sil hielt genau vor ihm. Vier Uniformen tauchten in den Lichthöfen auf, die grell in seinen Augen zerbarsten - dunkelgrüne Generalsuniformen mit Messingsternen, Tressen an den Schulterklappen und einem Mosaik von Medaillen hinter goldenen Schnüren. Als seine Augen sich an die Helligkeit zu gewöhnen begannen, sah Arkadi, daß die Uniformierten seltsam in sich zusammengesunken waren und sich gegenseitig zu

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