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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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wollen, brauchen wir schußsichere Westen und Taschenlampen. Hast du sowas etwa angefordert?«
    »Ich wußte nicht, daß Kim sich hier aufhalten würde.«
    »Du hast deinem verläßlichen Informanten nicht ganz geglaubt, was?«
    »Ich wollte nicht so einen Wirbel machen«, sagte Jaak.
    Die Schwierigkeit lag darin, daß die Ljubertsi-Keller keine gewöhnlichen Keller waren. Bis vor kurzem war es Privatpersonen untersagt gewesen, sich in der orientalischen Praxis unbewaffneter Selbstverteidigung zu üben. Also hatten sich die Ljuber Muskelprotze in den Untergrund begeben und Kohlen- und Heizungskeller zu heimlichen Fitneßräumen umgerüstet. Allein durch die Keller einer Mietskaserne in Ljubertsi zu streifen, war keine verlockende Aussicht, aber Arkadi wußte, daß es mindestens einen Tag dauern würde, die eigentlich dafür nötige Ausrüstung zu beschaffen.
    Drei Babuschkas saßen auf den Stufen der Mietskaserne und beobachteten einen Spielplatz, auf dem Kleinkinder in eine aus verrotteten Brettern zusammengenagelte Sandkiste kletterten. Ältere Jungen drehten ein Karussell ohne Sitze. Die Frauen sahen mit ihren grauen Köpfen und ihrer schwarzen Kleidung aus wie russische Krähen.
    Jaak fragte: »Erinnerst du dich noch an den KomsomolKlub, der wegen Rudis Pokal angerufen hat?«
    »Dunkel.«
    »Hab ich dir schon gesagt, daß sie wieder angerufen haben?«
    »Ist das jetzt die richtige Zeit, mich daran zu erinnern?« fragte Arkadi.
    »Was ist mit meinem Radio?« fragte Jaak. »Deinem Radio?«
    »Ich habe es gekauft, und ich würde es auch gerne haben. Du vergißt beharrlich, es mir zu geben.«
    »Komm heute abend in meine Wohnung und hol es dir.«
    Wir können nicht den ganzen Tag vor dem Motorrad stehenbleiben, dachte Arkadi. Wir sind bereits gesehen worden.
    »Ich hab die Kanone«, sagte Jaak. »Ich gehe rein.«
    »Sobald er jemanden kommen sieht, wird er rauslaufen. Da du die Kanone hast, wartest du hier und schnappst ihn dir.«
    Arkadi ging auf die Stufen zu. Die Frauen sahen ihn an, als käme er aus einem anderen Sonnensystem. Er versuchte es mit einem Lächeln. Nein, man reagierte hier nicht auf Lächeln. Er blickte zum Spielplatz hinüber. Er war leer, die Kinder jagten hinter den flockigen Samen der umstehenden Pappeln her, die der Wind über den Boden trieb. Arkadi sah sich nach Jaak um, der auf dem Motorrad saß und das Gebäude beobachtete.
    Er ging am Haus entlang, bis er eine Treppe fand, die hinunter an eine Stahltür führte. Die Tür war nicht verschlossen, und hinter ihr gähnte die Finsternis abgrundtief. Arkadi rief:
    »Kim! Michail Kim! Ich muß mit Ihnen reden!«
    Die Antwort war tiefe Stille. Das ist das Geräusch, das Pilze beim Wachsen machen, dachte Arkadi. Es widerstrebte ihm, den Keller zu betreten. »Kim?«
    Er tastete umher, bis er eine Kette fand. Als er an ihr zog, glomm eine Reihe trüber Glühbirnen auf, die an einer direkt an die Stützbalken der Decke genagelten elektrischen Leitung hingen und die Dunkelheit weniger erleuchteten als verdeutlichten. Als er sich niederbeugte, war es, als wate er durch seichtes Wasser.
    Der Abstand zwischen Fußboden und Decke betrug anderthalb Meter, manchmal weniger. Es war ein Kriechgang, der über und um offene Rohre und Auslaßventile führte. Die Unterseite des Hauses ächzte über ihm wie ein Schiff. Er schälte Spinnweben von seinem Gesicht und hielt den Atem an.
    Die Klaustrophobie war ein vertrauter Begleiter. Dabei kam es lediglich darauf an, von einer der trüben Glühbirnen bis zur nächsten zu gelangen. Gleichmäßiger zu atmen. Nicht an das Gewicht des Gebäudes zu denken, das über ihm lastete. Nicht an die schlechte Qualität russischer Neubauten. Sich nicht auch nur für einen Augenblick vorzustellen, daß der Tunnel einer finsteren Gruft glich.
    Als er die letzte Glühbirne erreicht hatte, glaubte Arkadi, durch einen Strohhalm zu atmen. Er quetschte sich durch einen engen Einlaß und befand sich, auf Händen und Knien, in einem niedrigen, fensterlosen Raum, dessen Wände verputzt und angestrichen waren und der von einer fluoreszierenden Röhre erhellt wurde. Auf dem Boden lagen neben einem Streckgerät Matratzen und Hanteln.
    Die Hanteln waren aus Stahlrädern gefertigt, in die roh Schlitze zur Aufnahme der Griffe gefräst worden waren. Das Streckgerät bestand aus zugeschnittenen Herdplatten, die durch Drähte miteinander verbunden waren. Eine der Wände wurde von einem Spiegel eingenommen, an einer anderen klebte ein Bild von

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