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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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beschäftigt.« Es machte ihn traurig.
    »Ich kann mir trotzdem immer noch nicht das viele Blut in Rudis Wagen erklären«, gab Polina zu.
    »Ich bin sicher, daß Sie noch eine Antwort dafür finden werden. Wissen Sie, das Leben hat mehr zu bieten als . Mord und Totschlag.«
    Polina hat die dunklen Locken wie die Mädchen auf den Bildern Manets, dachte Arkadi. Sie sollte einen Spitzenkragen und dazu einen langen Rock tragen, an einem schmiedeeisernen Tisch in einem sonnigen Garten sitzen und nicht von Toten reden und in einem Autowrack auf einem Kai hocken. Er merkte, wie ihre Augen ihn beobachteten. »Sie führen wirklich ein leeres Leben, nicht wahr?« sagte sie.
    »Warten Sie einen Augenblick.« Irgendwie schien sich das Thema ihres Gesprächs, unvermittelt und ohne Logik, in sein Gegenteil verkehrt zu haben.
    »Das haben Sie gesagt«, meinte sie.
    »Sie brauchen mir ja nicht gleich zuzustimmen.«
    »Genau«, sagte Polina. »Sie können Ihr leeres Leben führen und trotzdem kritisieren, wie ich mit meinem umgehe, obgleich ich Tag und Nacht für Sie arbeite.«
    Der erste Wagen flog mit einem dumpfen Geräusch wie ein gedämpfter Trommelschlag in die Luft. Ein weißer Blitz, als die Windschutzscheibe und die Fenster zerbarsten. Nach einem kurzen Augenblick, während die Glassplitter noch herunterregneten, war das Wageninnere von Flammen erfüllt. Polina trug die Zeit in ihr Notizbuch ein.
    »Das funktioniert wirklich ohne Sprengkapsel oder Zünder? Nur Chemikalien?«
    »Nur das, was Sie gesehen haben, freilich mit unterschiedlich konzentrierten Lösungen. Ich habe andere mit Phosphor und Aluminiumpulver, die eine Kapsel oder irgendeinen Schlag brauchen, um zu detonieren.«
    »Nun, das gerade schien mir aber schon recht wirksam«, sagte Arkadi.
    Er hatte zwar eine Selbstzündung erwartet, nicht aber eine Explosion von solcher Gewalt. Das Feuer hatte sich bereits ausgebreitet: Die Vordersitze und das Armaturenbrett des Wagens wurden von Flammen umzüngelt, die einen dunklen, giftigen Rauch erzeugten. Wie kam jemals jemand lebend aus einem brennenden Wagen heraus? »Danke, daß ich mir das nicht näher anzuschauen brauchte«, sagte Arkadi.
    »Stets zu Ihren Diensten.«
    »Und ich bitte um Entschuldigung, daß ich - wenn auch nur andeutungsweise - Ihr berufliches Engagement kritisiert habe. Sie sind bisher das einzige Mitglied unserer Mannschaft, das seine Kompetenz unter Beweis gestellt hat. Ich bin voller Bewunderung, ehrlich.«
    Während Polina ihn - unsicher, ob die Bemerkung nicht sarkastisch gemeint war - musterte, zündete er sich eine Zigarette an. »Ich würde das Fenster herunterdrehen, wenn es ein Fenster gäbe«, sagte er.
    Der zweite Wagen ging ohne die explosive Kraft des ersten in Flammen auf, und die Bombe im dritten Wagen war noch schwächer - kaum eine Explosion, obgleich auch hier helle Flammen aus dem Inneren schlugen. Die vierte Detonation glich der ersten. Inzwischen war Arkadi ein geübter Beobachter und wußte die einzelnen Stadien des Vorgangs voneinander zu unterscheiden: zuerst das Bersten der Scheiben, soweit noch vorhanden, der Blitz der entzündeten Chemikalien, das Wummen der verdichteten Luft und schließlich das Aufblühen der roten Flammen und die Bildung brauner, giftiger Rauchschwaden. Polina machte sich Notizen. Sie hatte zierliche Hände, die durch die aufgerollten Ärmel ihres Mantels noch kleiner erschienen. Ihre rasch niedergeschriebenen Notizen sahen fast aus wie getippt.
    Below hatte gesagt, Arkadis Vater würde beerdigt werden. Würden sie seinen Leichnam begraben oder einäschern? Sie könnten sich das Krematorium sparen und den alten Mann herbringen, zu einer glorreichen Himmelfahrt in einem von Polinas Flammenwagen. Irina könnte es dann in ihren Nachrichten als eine weitere russische Greueltat verlesen.
    Arkadi schoß durch den Kopf, daß Autos nicht für Russen geschaffen waren. Zunächst einmal hatten sie nicht genügend Straßen, die frei von Frostaufbrüchen und Schlammlöchern waren. Vor allem aber waren Autos nicht das geeignete für ein Volk, das dem Wodka und der Melancholie verfallen war.
    »Haben Sie für heute nacht noch etwas anderes geplant?« fragte Polina.
    »Nein.«
    Der fünfte und der sechste Wagen explodierten fast gleichzeitig, verbrannten dann aber sehr unterschiedlich, indem der eine sich in einen Feuerball verwandelte und der andere, bereits eine ausgebrannte Hülse, langsam von den Flammen umzüngelt wurde. Bisher war kein Feuerwehrwagen erschienen.

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