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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Schwarzenegger in voller Positur. Ein schwerer Sandsack hing an einer Kette von der Decke. Es roch nach Schweiß und Talkumpuder.
    Arkadi stand auf. Weiter hinten lag ein zweiter Raum mit Bänken und auf Blöcken lagernden Gewichten. Bücher über Bodybuilding und Ernährung stapelten sich auf einer Matratze. Eine Bank war feucht und wies den Abdruck eines Tennisschuhs auf. In der Decke über der Bank war eine Metallplatte eingelassen. An der Wand befand sich ein Schalter. Arkadi drehte das Licht aus, um sich davor nicht als Silhouette abzuzeichnen. Er stellte sich auf die Bank, hob die Platte an und schob sie zurück. Er begann gerade, sich hochzuziehen, als sich ein Pistolenlauf gegen seinen Kopf drückte.
    Es war dunkel. Arkadi war mit dem Kopf halb über den Fußboden hinter der Treppe des Treppenhauses gelangt. Die Bank unter seinen Halt suchenden Füßen schien tausend Meter entfernt. Der Gestank von abgestandenem Urin stieg ihm in die Nase. Er sah ein Dreirad ohne Räder, in einer Ecke zusammengekehrte Zigarettenkippen und Kondome und, am anderen Ende der Automatik, Jaak.
    »Du hast mich vielleicht erschreckt«, sagte Jaak. Er richtete den Lauf der Automatik nach oben.
    »Wirklich?« Arkadi hatte das Gefühl, daß mehr als seine Füße in der Luft hingen.
    Jaak zog ihn hoch. Das Treppenhaus lag an der entgegengesetzten Seite des Gebäudes. Arkadi lehnte sich gegen die Briefkästen. Sie waren, wie üblich, brandgeschwärzt. Das Licht im Treppenhaus funktionierte natürlich nicht. Kein Wunder, daß gelegentlich Leute umgebracht wurden.
    Jaak war verlegen. »Du warst so lange weg. Also hab ich mich umgesehen, ob es noch einen anderen Eingang gibt. Und dann tauchst du plötzlich hier wieder auf.«
    »Ich tu’s nicht wieder.«
    »Du solltest eine Kanone bei dir haben«, sagte Jaak.
    »Wenn ich eine Kanone bei mir hätte, wären wir beide Selbstmörder.«
    Arkadi fühlte sich noch benommen, als sie nach draußen gingen.
    »Behalten wir einfach das Motorrad im Auge«, schlug Jaak vor.
    Als sie um die Ecke bogen, war Kims schönes Motorrad verschwunden.
     
    Die Miliz schleppte Fahrzeugwracks auf einen Kai im Südhafen, handlich ausgeschlachtet für die Metallpressen und Autofabriken des Proletariat-Bezirks. Was auch nur im mindesten wiederverwendbar schien, war aus ihnen entfernt worden. Es waren nur mehr Skelette, und sie waren von einer eigenen Schönheit, wie vertrocknete Blumen. Der Kai bot einen herrlichen Ausblick auf den südlichen Teil Moskaus. Es war nicht Paris, zugegeben, war aber auch nicht ohne einen gewissen Reiz mit den gelegentlich zwischen den Fabrikschornsteinen aufblitzenden goldenen Kuppeln einer Kirche.
    Der Abendhimmel war noch hell. Arkadi fand Polina am Ende des Kais mit einem Pinsel, Farbdosen und quadratisch zugeschnittenen Preßholzbrettern. Sie hatte ihren Regenmantel aufgeknöpft, ein Zugeständnis an das laue Wetter.
    »Ihre Nachricht klang dringend«, sagte Arkadi. »Ich dachte, daß Sie das sehen sollten.«
    »Was?« Er blickte sich um. »Nun warten Sie’s doch ab.«
    Er wurde ungeduldig. »Es ist also nicht so eilig? Sie sind nur bei der Arbeit?«
    »Sie arbeiten doch auch.«
    »Ich führe ein besessenes, aber leeres Leben. Aber Sie, wollen Sie nicht tanzen gehen oder sich mit Ihrem Freund einen Film ansehen?« Irinas Nachrichtensendung hatte begonnen, und er wußte, was er im Moment am liebsten getan hätte.
    Polina trug grüne Farbe auf ein Holzstück auf, das sie auf den Kotflügel eines Sil gelegt hatte, dessen Türen und Sitze entfernt worden waren. Sie sieht hübsch aus, dachte Arkadi. Wenn sie eine Staffelei und etwas mehr Technik hätte … Aber sie klatschte die Farbe nur so auf den Untergrund.
    Polina schien zu spüren, daß seine Gedanken abschweiften.
    »Wie war’s heute mit Jaak?«
    »Es war nicht gerade ein ruhmreicher Tag.« Er sah ihr über die Schulter. »Sehr grün.«
    »Sind Sie Kritiker?«
    »Künstler sind so empfindlich. Ich meinte >ein reichlich aufgetragenes, üppiges Grün<.« Er trat einen Schritt zurück, um die Umrisse der grauen Kräne und Schornsteine zu betrachten, die über dem schwarzen Fluß in einen milchigen Himmel übergingen. »Was malen Sie eigentlich?«
    »Ich streiche Holz an.«
    »Aha.«
    Polina hatte vier unterschiedliche grüne Farbtöpfe, die mit KS1, KS 2, KS3 und KS4 bezeichnet waren. Daneben standen vier rote Töpfe, auf denen RN1, RN2 usw. stand. Jeder Topf hatte seinen eigenen Pinsel. Die grüne Farbe stank infernalisch. Arkadi

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