Das Labyrinth
selbst. An die Seite, um ihr einen Namen zu geben, schrieb er Rita Benz.
Auf ein zweites Formular schrieb er TransKom und fügte hinzu: Komsomol, Leningrad, Rudi Rosen und Boris Benz.
Auf ein drittes, unter Lenin-Pfad-Kollektiv: Penjagin, Rudis Mörder, vielleicht Tschetschenen. Wegen des Bluts vielleicht Kim. Bestimmt Rodionow.
Auf ein viertes, unter München: Boris Benz, Rita Benz und ein »X« für den Unbekannten, der Rudi gefragt hatte: »Wo ist der Rote Platz?«
Auf ein fünftes, unter Spielautomaten: Rudi, Kim, TransKom, Benz, Borja Gubenko.
Rita Benz war die Verbindung zwischen dem Schwarzmarkt und München und der Kontakt zwischen Rudi Rosen und Boris Benz. Wenn auch Borja Gubenko Spielautomaten besaß, gehörte er dann zur TransKom? Wer hätte Rudi in einem Sport-Komsomol besser mit seinen ungewöhnlichen Teilhabern bekanntmachen können als ein früheres Fußballidol? Und wenn Borja zur TransKom gehörte, kannte er Boris Benz.
Schließlich zeichnete Arkadi eine Skizze des Bauernhofs mit dem eigentlichen Hof, der Straße, den Pferchen, der Scheune, dem Schuppen, der Garage, dem Feuer, dem Volvo und der Grube. Er trug die geschätzten Entfernungen und einen nach Norden weisenden Pfeil ein, dann fügte er eine Skizze der Scheune hinzu und zeichnete in groben Umrissen einen Eimer mit einem blutgetränkten Musselintuch.
Er dachte an die Tierhandlung unter Kims Wohnung, an das Regal mit dem Drachenblut und das Blut in Rudis Wagen. Das erinnerte ihn an Polina. Öffentliche Telefonapparate nahmen nur kleine Zwei-Kopeken-Münzen an, aber er fand eine in seiner Tasche und wählte ihre Nummer.
Ihre Stimme klang verschlafen, dann war sie sofort wach.
»Arkadi?«
»Jaak ist tot«, sagte er. »Minin übernimmt meinen Posten.«
»Sind Sie in Schwierigkeiten?«
»Ich bin nicht Ihr Freund. Sie haben immer schon an meinen Führungsqualitäten gezweifelt. Sie waren der Meinung, daß sich die Ermittlungen verlaufen hatten und in einer Sackgasse enden würden.«
»Mit anderen Worten?«
»Halten Sie sich aus der Sache heraus.«
»Das können Sie mir nicht befehlen.«
»Ich bitte Sie darum.« Er flüsterte ins Telefon: »Bitte.«
»Rufen Sie mich an«, sagte Polina nach einer Pause.
»Wenn alles in Ordnung ist.«
»Ich übernehme Rudis Faxgerät und lasse es auf meine Nummer legen. Sie können mich dort erreichen.«
»Seien Sie vorsichtig.« Er legte auf.
Eine plötzliche Erschöpfung ergriff Besitz von ihm. Er stopfte die Formulare in die Tasche, in der sich auch der Revolver befand, und setzte sich, die Arme auf den Knien, auf eine Bank. Kaum daß sich seine Augen geschlossen hatten, war er auch schon halb eingeschlafen. Er hatte das Gefühl, nicht zu träumen, sondern tatsächlich in der Dunkelheit einen langen, lehmigen Abhang hinunterzurollen, träge und ohne einen Laut dem Gesetz der Schwerkraft zu folgen. Am Fuße des Hügels befand sich ein Teich. Jemand über ihm sprang hinein, und in weißen Ringen bildeten sich Wellen. Er fiel ins Wasser, ohne sich zu wehren, versank und war dann wirklich eingeschlafen.
Zwei Augen starrten ihn aus einem Gesicht mit schlaff herunterhängenden, unrasierten Wangen an. Eine Hand hob einen schwarzen Revolver. Die Finger waren dreckig, schwielig und zitterig. Eine andere schmutzige Hand hielt Arkadis Dienstausweis. Als er ganz erwachte, sah er ein auf eine fleckige Jacke genähtes Ordensband. Er sah auch, daß der Mann, ohne Beine, auf einem niedrigen Rollwagen saß. Neben den Rädern lagen zwei mit Gummistöpseln versehene Stöcke, die ihm offensichtlich dazu dienten, sich fortzubewegen. Der Mund war halb geöffnet, so daß Arkadi eine Reihe von Stahlzähnen erkennen konnte und den nach Benzin stinkenden Atem roch. Ein menschlicher Wagen, dachte er.
Der Mann sagte: »Ich hab nur nach einer Flasche gesucht. Ich hab nicht gewußt, daß ich auf einen Scheißgeneral stoßen würde. Ich bitte um Entschuldigung.«
Der Revolver war die Nagant. Vorsichtig überreichte er sie Arkadi, den Griff nach vorn. Arkadi nahm auch seinen Dienstausweis wieder an sich.
Der Mann zögerte. »Hamse vielleicht ‘n bißchen Kleingeld übrig? Nein?« Er hob die Stöcke auf, um sich fortzustoßen.
Arkadi sah auf seine Uhr, es war fünf Uhr morgens. Er sagte: »Warten Sie.«
Ihm war etwas durch den Kopf geschossen. Während der Gedanke noch frisch war, legte er seinen Revolver und seinen Ausweis auf die Bank und zog die Skizze des Bauernhofs hervor. Auf ein weiteres Formular zeichnete
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