Das Labyrinth
fragte Borja, dann legte er auf.
Und ließ Arkadi zurück mit … nichts. Erstens hatte er das Gespräch nicht auf Band aufgenommen. Zweitens, und wenn er es hätte? Er hatte kein Geständnis bekommen, nichts, das sich nicht durch Müdigkeit, Lärm, Mißverständnisse und eine schlechte Verbindung erklären ließe. Was besagte es schon, daß Penjagin ihre Telefonnummern hatte? Albow war ihm als Freund der Miliz vorgestellt worden, und die Miliz beschützte auch Borja Gubenkos Driving-Range. Was besagte es schon, wenn Albow und Gubenko sich kannten? Sie gehörten der Moskauer Gesellschaft an, sie waren keine Einsiedler. Arkadi hatte überhaupt keine Beweise. Er wußte nur, daß der Fall Rosen Jaak in ein Kollektiv geführt hatte, wo er getötet und im selben Wagen wie Penjagin aufgefunden worden war. Und Arkadi hatte den Fall Rosen vermasselt. Er hatte keinen Kim, und das, was er tatsächlich an Hinweisen hatte, wurde in diesem Augenblick von Minin geprüft.
Andererseits war Jaak kein schlechter Mann gewesen. Arkadi durchsuchte alle Schubladen und zog dann Jaaks überdimensionalen Schlüssel hervor. Jeder Inspektor hatte seinen eigenen Safe, ein verschlossenes Magazin seiner Arbeit. Er probierte den Schlüssel nacheinander an allen vier Safes aus, bis das letzte Schloß nachgab und sich die eiserne Tür öffnete, um drei Borde mit Jaaks Unterlagen freizugeben. Auf dem unteren Bord waren mit einem roten Band zusammengebundene Akten abgelegt, der Grundstock des professionellen Gedächtnisses Jaaks. Auf dem oberen Bord lagen persönliche Gegenstände: Fotos von einem Jungen und einem Mann, die zusammen angelten, von demselben Jungen und einem Mann, der ein Modellflugzeug in der Hand hielt, von dem Jungen, der inzwischen in eine Armeeuniform hineingewachsen war und den Arkadi als einen Jaak wiedererkannte, der neben einer glücklichen, aber verlegenen Frau posierte, die ihre Schürze glattstrich. Sie standen auf den Stufen einer Datscha. Jaaks Augen blinzelten in helles Sonnenlicht, die seiner Mutter lagen im Schatten. Ein Bild von Soldaten in ihrem Zelt, singend, Jaak mit Gitarre. Eine Scheidungsurkunde, acht Jahre alt, zerrissen und wieder zusammengeklebt. Ein Schnappschuß von Jaak mit Julja in einer früheren Phase ihres Lebens, als sie noch dunkles Haar hatte - verwackelt, weil sie eine Achterbahn hinunterstürzten, ebenfalls zerrissen und wieder zusammengeklebt.
Auf dem mittleren Bord lagen ein graues juristisches Handbuch, vollgestopft mit den schlampigen Nachträgen sich täglich ändernder Gesetze, Protokollformulare für Ermittlungen, Durchsuchungen und Vernehmungen, das rote Adreßbuch der in der Moskauer Region arbeitenden Kripoleute sowie einzelne Makarow-Patronen aus Messing. Da war eine Aufnahme des überwachten Rudi, ein Verbrecherfoto des jungen Kim, da waren Polinas Aufnahmen des Schwarzmarkts und des ausgebrannten Wracks von Rudis Wagen. Außerdem ein Umschlag, wie er zum Postverkehr zwischen den einzelnen Abteilungen verwendet wurde. Arkadi öffnete ihn und fand das deutsche Videoband, das er Jaak gegeben hatte, sowie zwei Standfotos. Jaak hatte also die Bilder entwickeln lassen.
Es waren Einzelaufnahmen der Frau im Biergarten. Auf die Rückseite eines der beiden Fotos hatte Jaak geschrieben:
»Durch verläßliche Quelle identifiziert als >Rita<, 1985 nach Israel ausgewandert.«
Ein romantischer Name, Rita, Kurzform für Margherita, wie die Blume. Er vermutete, daß Julja die Quelle war. Wenn Rita einen Juden geheiratet hatte und ausgewandert war, würde Julja sich an sie erinnern.
Eine Israeli? Die Verbindung von blondem Haar, schwarzem Pullover und goldener Halskette schien Arkadi typisch deutsch, abgesehen von dem vollen roten Mund und der Wangenpartie, die ziemlich slawisch wirkten. Warum war sie dann auf dem Münchener Band und nicht auf dem aus Jerusalem? Warum hatte Arkadi sie in Rudis Wagen gesehen und einen Blick von ihr aufgefangen, der ihn und seinen Schiguli so abschätzig beurteilte? Warum hatte ihr Mund auf dem Band gesagt: »Ich liebe dich«?
Das zweite Bild war das gleiche. Auf seine Rückseite hatte Jaak geschrieben: »Von der Rezeption des Sojus als Frau Boris Benz identifiziert. Deutsch. Angekommen am 5. 8., abgereist am 9. 8.« Vor zwei Tagen.
Das Sojus-Hotel war nicht gerade eines der besten in Moskau, es lag aber der Stelle am nächsten, an der er und Jaak sie zusammen mit Rudi gesehen hatten.
Das Telefon läutete. Er hob den Hörer ab.
»Wer ist da?« fragte
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