Das Labyrinth
Lackfarbe des Eingangs gleiten. Hier waren einst die Limousinen bis zur noch rund fünfzig Meter entfernten Datscha hindurchgerollt, zu mitternächtlichen Gelagen und dem nachmitternächtlichen Aufstellen von Listen, durch die Männer und Frauen, selbst während des Schlafs, in den Tod geschickt wurden. Manchmal wurden auch Kinder hergebracht, um die Datscha für ein Gartenfest zu schmücken oder einen Blumenstrauß zu überreichen, aber immer nur am Tage, als böte allein das helle Sonnenlicht Sicherheit.
Die Tür des Drachens, dachte Arkadi. Selbst wenn der Drache längst tot war, sollte das Tor eigentlich immer noch pechschwarz sein und die Straße die Abdrücke von Klauen bewahren. Knochen sollten von den Zweigen hängen. Die Soldaten in ihren Mänteln sollten wenigstens als Statuen noch da sein. Statt dessen wurde das Gelände vom Weitwinkelobjektiv einer Kamera über dem Eingang überwacht.
Rodionow hatte sie nicht bemerkt. »Minin wird …«
»Schweigen Sie«, sagte Albow und warf einen Blick auf die Kamera. »Und lächeln Sie.« Er fragte Arkadi: »Gibt es hier noch mehr Kameras?«
»Die ganze Straße entlang. Die Monitore sind in der Datscha. Es wird alles auf Video gespeichert. Schließlich ist es eine historische Stätte.«
»Natürlich. Kümmern Sie sich um Minin«, sagte er leise zu Rodionow. »Wir wollen hier keine Armee aufmarschieren lassen. Schaffen Sie den Blödmann fort.«
Verwirrt, aber bemüht, seinen guten Willen erkennen zu lassen, bedeutete Rodionow Minin, sich zurückzuziehen, währen Albow sich Arkadi mit dem Ausdruck eines Mannes zuwandte, der es ehrlich meinte. »Wir sind Freunde, die um Ihr Wohlergehen besorgt sind. Wir haben jeden Grund, offen mit Ihnen zu sein. Da drinnen sitzt also jemand vor einem Bildschirm und fragt sich, ob wir Vogelbeobachter oder Amateurhistoriker sind .«
»Ich fürchte, Minin geht als keins von beidem durch.«
»Minin nicht«, gab Albow zu.
Rodionow ging die Straße hinunter, um mit Minin zu reden.
»Geschlafen?« fragte Albow Arkadi.
»Nein.«
»Gegessen?«
»Nein.«
»Schlimm, ständig auf der Jagd zu sein.« Albow klang ehrlich besorgt. Er klang auch so, als ob er der Mann sei, der die Entscheidungen traf und Rodionow nur erlaubt hatte, den Vorsitz so lange zu führen, wie alles nach Plan und Anweisung lief. Die Kamera über dem Tor hatte das geändert. Albow führte seine Zigarette an die Lippen. »Der Anruf war sehr geschickt«, sagte er.
»Penjagin hatte Ihre Nummer.«
»Dann lag es auf der Hand.«
»Meine besten Ideen liegen immer auf der Hand.«
Arkadi hatte auch Borja angerufen, wie Albow inzwischen wissen mußte. Die Frage stellte sich von selbst: Welche anderen Telefonnummern hatte Penjagin sich noch notiert?
Als Rodionow zurückkehrte, zog Albow den Bericht aus der Tasche des Oberstaatsanwalts. »Telegrammformulare«, sagte Albow. »Er war die ganze Nacht im Telegrafenamt.«
Rodionow blickte zur Kamera hoch und murmelte: »Wir haben alle Bahnhöfe, die uns bekannten Adressen und Straßen überwacht.«
»Moskau ist eine große Stadt«, sagte Arkadi zur Verteidigung des Oberstaatsanwalts.
»Haben Sie ein Telegramm abgeschickt?« fragte Albow Arkadi.
»Wir können es herausfinden«, sagte Rodionow.
»In ein, zwei Tagen«, gab Arkadi zu.
»Er droht uns«, sagte der Oberstaatsanwalt.
»Womit?« sagte Albow. »Das ist die Frage. Wenn er etwas über Penjagin, den Inspektor oder Rosen weiß, ist er verpflichtet, seinen Vorgesetzten darüber in Kenntnis zu setzen, also Sie, Rodionow, oder den Leiter der Ermittlungen, Minin. Sonst ist er verrückt. Die Straßen sind heutzutage voll von Verrückten, und deshalb wird ihm sonst niemand zuhören. Und er ist auch verpflichtet, Befehlen zu gehorchen. Wenn Sie ihn nach Baku schicken, geht er nach Baku. Gut, er kann den ganzen Tag hier unter dieser Kamera stehen, aber hier gibt’s keine Scheinwerfer. Heute abend können Sie ihn festnehmen, und morgen wacht er in Baku auf. Renko, wie ich Sie kenne, geben Sie nicht auf, bis Sie etwas in der Hand halten. Und Sie haben noch nichts, oder?«
»Nein«, räumte Arkadi ein. »Aber ich habe andere Pläne.«
»Was für andere Pläne?«
»Ich habe daran gedacht, die Ermittlungen im Fall Rosen weiterzuführen.«
Rodionow blickte die Straße hinunter. »Minin leitet sie jetzt.«
»Ich wäre Minin nicht im Weg«, sagte Arkadi. »Wieso wären Sie Minin nicht im Weg?« fragte Albow. »Ich wäre in München.«
»In München?« Albow warf den Kopf
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