Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
muss auch das Netz mitbringen. Fernöstliche Weisheit.« Die Schrift strotzt nur so von Selbstbewusstsein. Auch die Laufrichtung signalisiert, dass die Schreiberin genau zu wissen scheint, wo es langgeht . »Selbst das Stolpern über einen Stein ist der Anfang einer Verbindung. Japanische Weisheit.« Halleluja , denke ich, da hängt ja ein ganzes Notfallprogramm an der Wand. Da kann ja gar nichts mehr schiefgehen.
Ich nehme jedes einzelne Buch aus dem Regal und schüttele es aus, in der Hoffnung, dass ein Hinweis herausfällt. Und tatsächlich, in einem der Bücher über Schamanisches Reisen kommt zwischen den Seiten ein Foto zum Vorschein und landet auf dem Boden. Darauf sind vier junge Frauen abgebildet. Im Hintergrund das Brandenburger Tor. Eine der Frauen ist eindeutig Laura. Eine der anderen, neben ihr, die am wenigsten attraktive, könnte Kitty sein.
Kitty!
Ich rufe noch aus Lauras Wohnung in der Anderen Seite an. Es ist zwanzig nach zehn.
»Greta ist bei einer Session.« Es ist der junge schwule Kellner, der mich abserviert, als wäre ich vom Gesundheitsamt.
»Was für eine Session?«
» SM !« Es klingt wie: »Nichts für dich!«
»Und wann ist sie damit …?«
»Halbe Stunde.« Ohne sich zu verabschieden, legt er auf. Arschloch!
In einer halben Stunde rufe ich erneut an. Als ich schon nicht mehr damit rechne, dass überhaupt jemand rangeht, höre ich Gretas Stimme.
»Wie war die Session?«, frage ich.
Sie lacht verschämt, wie eine Pubertierende, die beim Masturbieren erwischt wird. »Zubrot«, sagt sie. »Was willst du?«
»Ich muss dir was zeigen.«
»Und was?«
»Können wir uns sehen?«
»Du willst mich doch nur aushorchen.«
»Es ist wichtig.«
»Okay. Aber nur, wenn du es mir hinterher besorgst!«
»Greta!« Sie kichert wieder vor Freude über ihre kleinen Obszönitäten.
»Ich weiß schon, du redest nicht gerne darüber. Bist ein bisschen verklemmt, was?«
Natürlich bin ich im Vergleich zu Greta verklemmt. Im Vergleich zu Greta sind alle verklemmt. Außerdem möchte ich schon gar nicht am Telefon darüber reden. Um abzulenken, frage ich: »War Laura lesbisch?«
»Warum?«
»Nur so.«
»Du stellst Fragen!«
»Und, war sie?«
»Glaub schon.«
ICH
»Wer ist das?« Ich zeige auf die Frau auf dem Foto neben Laura.
»Irgendeine Freundin von Laura wahrscheinlich.« Ich merke, dass Greta keine Lust hat, darüber zu reden. »Laura war sehr beliebt. Vielleicht auch eine Kollegin, was weiß ich. Ist das wichtig?«
Sie sieht mich an, als wäre die Sache für sie damit erledigt. Wir sitzen auf einer Bierbank in der Torstraße ganz in der Nähe des Rosa-Luxemburg-Platzes und essen Falafel. Oder besser, Greta isst, und ich rauche. Es ist später Freitagabend, und ganz Berlin scheint noch auf den Beinen zu sein. Junge Männer stehen vor dem Hostel an der Ecke, halten sich an Bierflaschen fest, lachen und schreien Unverständliches in die Nacht. Mädchen mit fast nichts am Leib, ebenfalls mit Bierflaschen in Händen, wanken an uns vorüber auf der Suche nach dem nächsten Club, in dem sie bis zum Morgen durchfeiern können. Auf der Schönhauser Allee ist das White Trash , denke ich und blicke ihren wackelnden Ärschen hinterher. Ein Penner kommt mit einem Einkaufswagen voller leerer Flaschen vorbei.
»Hast du nicht gesagt, du wärst ihre beste Freundin gewesen?«, frage ich und glaube, in einem vorbeifahrenden Taxi Nora zu erkennen.
»Es gibt keine besten Freundinnen. Das ist ein Märchen aus den Frauenzeitschriften.« Greta spricht mit vollem Mund. »Spätestens, wenn die Freundinnen zu Konkurrentinnen werden, ist es vorbei mit gut, besser, am besten. Und irgendwann werden sie immer zu Konkurrentinnen.« Greta scheint von Minute zu Minute schlechter gelaunt zu werden. Sie haut ihre Zähne in das Fladenbrot und die Gemüsebällchen.
»Das ist Kitty!«, sage ich und zeige auf die Frau, die neben Laura auf dem Foto zu sehen ist.
Greta lacht in einer Mischung aus Bestürzung und Spott. Dabei fliegen Salatfitzelchen aus ihrem Mund und über den Tisch.
»Quatsch.« Sie schüttelt den Kopf, lacht noch immer und verschluckt sich dabei. Sie hustet, spuckt Teile vom Falafel auf den Tisch. Ich klopfe ihr auf den Rücken, bis sie keucht: »Ist gut! Danke!« Sie wischt sich mit einer Serviette den Mund ab und legt das Fladenbrot zur Seite auf den Tisch.
» Das ist Kitty.« Sie zeigt auf eine der anderen Frauen auf dem Foto. Neben ihrem Fingernagel sehe ich eine vielleicht fünfundzwanzig
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