Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
in Panik davonrennt.
Auf dem Nachhauseweg setzt sie sich zu den Punks an den Brunnen vom Alexanderplatz. Sie trinkt Bier mit ihnen, raucht und befriedigt einen mit der Hand. Anschließend ist ihr so schlecht, dass sie sich übergeben muss.
Zu Hause ritzt sie sich mit einer Rasierklinge die Unterarme auf. Ohne diesen Schmerz spürt sie nichts. Oder nur das, was sie langsam zu zerstören droht. Ohne diesen Schmerz, glaubt sie, nicht mehr leben zu können.
Sie starrt stundenlang wie hypnotisiert in den Fernseher, unfähig, sich zu bewegen, und weiß doch nicht, was sie sieht. Gerede, nichts als Gerede. Wörter, Sätze, die nichts bedeuten.
Irgendwann in der Nacht flimmert Das Schweigen von Ingmar Bergman über den Bildschirm. Ein Erinnerungsfetzen ist zurück. Die Schwestern, der kleine Junge, das Blatt Papier mit den Wörtern in der fremden Sprache. Für einen Augenblick schöpft sie Hoffnung, glaubt, dass er zurückkommt. Und: Alles wird anders, alles wird gut. Auf eine zweite Chance harrt sie und: alles noch einmal zurück auf Anfang.
Anschließend fällt sie noch tiefer in das Loch und verzweifelt noch mehr. Sie schreibt mit einem Kugelschreiber an die Wand: Ich will nicht wie meine Mutter, nicht sein, meine Mutter nicht werden, nicht und Geschrei nur noch im Schädel Und ein Vers, der bricht.
Von dem Tag an wäscht sie sich nicht mehr. Von dem Tag an isst sie nichts mehr. Sie hat keinen Hunger, bringt nichts hinunter. Nur Wasabi stopft sie in großen Mengen in sich hinein, als wolle sie sich innerlich verbrennen. So lange, bis das Kind im Bauch immer leiser wird und schließlich ganz verstummt.
Weißt du noch?
ICH
Es ist wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich kann mich nicht wehren. Will ich seltsamerweise auch gar nicht. Ich bin ihr ausgeliefert. Mir selbst ebenso. Ich habe mich nicht mehr im Griff und drohe die Kontrolle vollends zu verlieren. Es ist der Alkohol, ihr Geruch, die Gier nach Sex, die mich alle Vorsätze vergessen lassen.
Doreen wiederum scheint ganz genau zu wissen, was sie will und was sie tut. Es scheint, als verfolge sie einen Plan, in den ich nicht eingeweiht bin, der mich aber betrifft.
Als wir gegen Mitternacht angetrunken das Nola’s verlassen, drückt sie mich am Kinderspielplatz gegen den Gitterzaun. Spontan denke ich an einen Spaß, an eine kindische Laune von ihr. Als sie mir anschließend zwischen die Beine greift, weiß ich, dass mehr dahintersteckt. Sie drückt ihren Mund auf meinen und küsst mich heftig. Ich bin wie paralysiert. Sie öffnet meine Hose, holt meinen erigierten Schwanz heraus und reibt ihn.
»Doreen, hör auf, bitte, das dürfen wir nicht.« Es klingt total bescheuert.
»Greta ist es egal«, sagt sie.
Ich habe den Eindruck, ihr Dialekt sei plötzlich verschwunden. Sie rafft ihr Kleid hoch und schiebt meinen Schwanz an ihrem Slip vorbei in ihre Muschi. Wir vögeln an das Gitter gelehnt, das bei jedem Stoß vibriert und wie eine elektrische Leitung surrt. Ich schließe die Augen und sehe Kitty. Bevor ich komme, ziehe ich meinen Schwanz aus ihr heraus und spritze auf ihr Kleid.
»Das war überfällig, mein Lieber«, sagt Doreen, wieder ohne Dialekt. »Jetzt sind wir quitt!«
Sie streicht ihr hochgerafftes Kleid zurecht und wischt die Spermaspuren mit einem Papiertaschentuch ab.
»Gott fliegt über Afrika«, sagt sie. »Erinnerst du dich? Und weil er mal wieder gut gelaunt ist, denkt er sich, ich werde hundert Afrikanern einen Wunsch erfüllen. Er fragt den ersten Schwarzen: ›Was wünschst du dir?‹ Der Schwarze antwortet: ›Ich möchte weiß werden.‹ Der Wunsch wird ihm erfüllt. Auch der Zweite, Dritte, Vierte, Fünfte, alle neunundneunzig wünschen sich das Gleiche und werden augenblicklich weiß. Nur der Letzte krümmt sich vor Lachen. Gott fragt ihn: ›Und was wünschst du dir?‹ Der Schwarze sagt: ›Ich wünsche mir, dass alle wieder schwarz werden …‹
Kitty hat er gefallen. Ich finde ihn scheußlich.«
Sie zerknüllt das Papiertaschentuch, wirft es mir eine Spur zu theatralisch vor die Füße und lässt mich stehen. Es ist vor allem diese Abgeklärtheit, die mich aus dem Gleichgewicht bringt. Die Abgeklärtheit, hinter der sie sich versteckt. Darin ist sie mir ähnlicher und näher, als mir lieb ist. Vermutlich war sie auch Kitty näher, als ihr lieb ist. Vielleicht gibt sie sich deshalb so kühl, so unbewegt von ihrem Tod. Womöglich ist das ihre Art, mit dem eigenen Versagen, der eigenen Schuld umzugehen.
Sie verschwindet in der Nacht,
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