Das Lachen und der Tod (German Edition)
vor mir aufzutreten. Aber wenn dieser Ort Ihr persönliches Waterloo als Komiker wird, kommen Sie meiner Bitte nach. Bis es so weit ist, wird es Ihnen an nichts fehlen, dafür sorge ich persönlich. Sie bekommen zu essen und zu trinken und müssen nicht länger im Freien arbeiten. Heute Mittag werden Sie dort eingesetzt. Wir sprechen uns noch, da bin ich mir sicher. In einer Woche. In einem Monat. Sie werden schon merken, dass es Schlimmeres gibt, als vor dem deutschen Volk aufzutreten.«
20
Ich durfte im Gang warten. Bestimmt erhielt der Adjutant jetzt Anweisungen, was mit mir zu geschehen hatte. Radionachrichten drangen aus einem Zimmer ganz in der Nähe. Deutsche Truppen konnten erneut Erfolge im »tapferen Kampf« gegen die Bolschewiken verbuchen. Ich musste mich anstrengen, um die Meldungen zu verstehen. Es war von der Eroberung einer kleinen russischen Stadt mit einem komplizierten Namen die Rede. Ich hatte noch nie etwas von dem Kaff gehört. Wenn so eine unwichtige Nachricht die deutsche Moral stärken sollte, verlief der Feldzug im Osten alles andere als nach Wunsch.
Ich musste erneut mitkommen. Draußen wartete zu meinem Erstaunen ein Krankenwagen. Zumindest prangte auf der Stoffplane dieses Armeefahrzeugs ein Rotes Kreuz. Musste ich als Pfleger auf der Krankenstation arbeiten? Den Cholera-, Durchfall- und Fleckfieberpatienten war das Lachen bestimmt längst vergangen.
Ich saß zwischen dem Fahrer und meinem Begleiter. Wir fuhren an den Krankenbaracken vorbei in Richtung Außenlager. In der Ferne hob sich ein Schornstein gegen den knallblauen Himmel ab. Krematorium I. Wir fuhren direkt darauf zu. Erst jetzt begriff ich.
Ich war dem Sonderkommando zugeteilt worden.
Der Laster wurde umstandslos durchgelassen. Wir hiel ten vor dem Gebäude. Weiter hinten nahm das Lagerorches ter Aufstellung. Bläser, Streicher, Schlagzeuger und Paukisten gaben kakofonische Klänge von sich. Ich musste am Wagen warten, während der Begleiter im Büro des befehlshabenden Offiziers, eines Hauptscharführers, meine Ankunft meldete. Zwei SS -Leute kamen, um einige Kisten auszu laden, grüne Armeekisten mit einem weißen Totenkopf darauf.
Ich durfte das Büro betreten. Der Hauptscharführer legte soeben den Telefonhörer zurück auf die Gabel. Er war ein mürrischer, langsam kahl werdender und gedrungener Kerl. »Sie sind also der Komiker«, schnaubte er. »Ich habe mit dem Kommandanten gesprochen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Neuankömmlinge zu empfangen, das heißt, sie zu beruhigen.«
Er legte eine kurze Pause ein, klopfte langsam mit dem Ende seines Füllers auf die Tischplatte, warf ihn plötzlich hin und donnerte los. »Das ist hier das Sonderkommando! Wir sind kein Kindergarten! Ich weiß nicht, warum Sie hier sind oder was der Kommandant mit Ihrer Anwesenheit bezwecken will, aber wenn Sie mir Ärger machen, werden Sie es sofort bereuen. Als ob wir hier nichts Besseres zu tun hätten, verdammt noch mal!«
Ich hatte von den Vergasungen gehört. In den Duschräumen. Das Gerücht hielt sich so hartnäckig, dass es wahr sein musste. Geschah das in diesem Gebäude? Sollte ich jetzt Menschen zum Lachen bringen , die hier ermordet wurden? Waren sie jetzt völlig verrückt geworden? Ja, das waren sie. Aber das hier war wirklich der Gipfel!
Der Begleiter übergab mich einem Häftling, dessen Aufgabe darin bestand, mich einzuweisen. Er hieß Emil und war ein junger, gefügiger Ungar mit einem nervösen Tick: Sein linkes Auge zuckte, als zwinkerte er einem ständig unbeholfen zu. Seine Mutter stamme aus Österreich, erzählte er mir leise. Deshalb sei sein Deutsch so gut. Er ging mir voraus, durch enge, mit Deckenleuchten versehene Betongänge, von denen der Putz bröckelte und von denen schmale Steintreppen abgingen. Für den fettigen, unangenehmen Geruch gab es keine Worte. Ich hörte Echos von Stimmen, Türenknallen und ein Brausen, aus dem ich nicht schlau wurde. Wir liefen eine Treppe hoch.
Direkt unterm Dach befanden sich die Unterkünfte des Sonderkommandos. Er war stickig und heiß. Befanden wir uns über den Öfen? Wie im Krankensaal für Prominente waren die Pritschen auch hier ordentlich gezimmert. Es gab sogar Bettlaken. In der Mitte stand ein langer Tisch mit Leuchtern und weißen Tropfkerzen. Außerdem sah ich Weinflaschen, Brot, eine Schale Äpfel, Gulasch aus der Dose, Butterstücke auf einer Servierplatte aus Porzellan und schmutzige Gläser. Das reinste Festbankett.
All das stamme von den Transporten,
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