Das Lachen und der Tod (German Edition)
nahm sich selbst eine und entfernte die Spitze mit einem Zigarrenschneider, bevor er die Zigarre anzündete und genüsslich daran zu ziehen begann.
»Sie sind wieder gesund«, sagte er, während er das Streichholz schüttelte, damit es erlosch. »Das freut mich. Freut mich sehr. Sie und ich haben viel gemeinsam.«
Ich sah ihn unbewegt an.
»Diese Bemerkung überrascht Sie vielleicht«, sagte er mit seinem mir bereits bekannten Lächeln. »Doch ich habe Nachforschungen angestellt, Herr Hoffmann. Ihr Vater war Deut scher. Er stammte aus demselben preußischen Militärgeschlecht wie ich und war sogar ein Kriegsheld: Aufgrund seiner Tapferkeit in der Schlacht an der Somme wurde ihm das Eiserne Kreuz verliehen. Und wissen Sie was? Mein Vater hat dort ebenfalls gekämpft! Ja, ja, ich empfinde Respekt vor Ihrem Vater. Obwohl er in der Liebe eine falsche Wahl getroffen hat.«
»Mein Vater war glücklich verheiratet. Und er hat nie das Eiserne Kreuz bekommen. Da irren Sie sich.«
Er schien kurzzeitig irritiert, warf mir einen tadelnden Blick zu, bis er sich wieder entspannte. »Und ob«, sagte er verwundert. »So steht es in seiner Militärakte. Ich habe eine Kopie der Urkunde gesehen. Wissen Sie das etwa nicht?«
Es gab keinen Grund, an der deutschen Gründlichkeit zu zweifeln. Und bei näherer Betrachtung auch keinen, an der Abneigung meines Vaters gegen militärische Auszeichnungen zu zweifeln. Trotzdem war ich überrascht. Warum hatte er nie etwas von diesem bedeutenden Orden erzählt? Nach seinem Tod hatte ich auf dem Dachboden seinen alten Kleidersack gefunden. Darin befanden sich eine alte Gürtelschnalle, eine verbeulte Feldflasche, eine Gasmaske, eine vergilbte Bibel, ein Bündel mit Briefen meiner Mutter und eine halb leere Schachtel französischer Zigaretten. Aber kein Orden und keine Urkunde.
Der Lagerkommandant lehnte sich zurück und zog erneut an seiner Zigarre. »Stellen Sie sich bloß vor, Herr Hoffmann, unsere Väter hätten Seite an Seite an der Front gekämpft! Groß ist die Chance nicht, jedoch durchaus möglich. Und jetzt sitzen wir hier. Wir, die Söhne. Und wieder ist Krieg. Verrückt, was?«
Ich nickte verwirrt.
»Sie sind Komiker. Ein sehr erfolgreicher, wie ich gehört habe. Vielleicht etwas zu erfolgreich.«
»Wie meinen Sie das, Herr Obersturmbannführer?«
»Sie haben den Führer beleidigt. 1938 in Amsterdam während einer Vorstellung. Sie tauften sein Buch Mein Kampf in Mein Krampf um. Das war nicht sehr intelligent von Ihnen, Herr Hoffmann. So etwas bleibt nicht unbe merkt: Ein Parteigenosse der NSB* hat uns das gemeldet. Ansonsten hätten Sie sich mit Rücksicht auf Ihren deutschen Vater womöglich nicht in den Totentanz einreihen müssen.«
*Die National-Socialistische Beweging in Nederland (NSB) war eine faschistische Gruppierung. Nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht (1940) war sie die einzige Partei, die noch zugelassen war.
Der Lagerkommandant beugte sich vor. »Mal ganz unter uns, Herr Hoffmann, denn ich kann durchaus über diesen Witz lachen. Ich bin ein großer Anhänger des Kabaretts, besuche gern Revuen in Berlin und Hamburg, aber auch die Pariser Theater: das Moulin Rouge, die Folies Bergère, trallala! Und ich fahre jedes Jahr nach Mailand und Wien, um die großen Opern von Puccini und Verdi zu sehen. Ich betrachte mich als Freund der schönen Künste.«
Der Kommandant klopfte Asche von seiner Zigarre. »Sie sind also Komiker, Herr Hoffmann. Sie sind derjenige, der die Barackenvorführungen organisiert hat, wenn ich das mal so sagen darf. Und Sie waren derjenige, der die Menschen im Viehwaggon zum Lachen brachte. Das finde ich sehr intelligent, ich weiß das sehr wohl zu schätzen.«
»Ihre Untergebenen wussten das ganz und gar nicht zu schätzen, Herr Obersturmbannführer. Sie haben auf den Waggon geschossen. Ein Freund von mir kam dabei ums Leben.«
»Das ist wirklich Pech, aber so etwas kommt leider vor. Ich hoffe nur, Sie schließen nicht daraus, dass die Deutschen keinen Humor haben.«
Ich reagierte nicht.
Er lehnte sich zurück und kniff die Augen zusammen. »Erzählen Sie mir einen guten Witz, Herr Hoffmann.«
»Sie möchten auf die Probe gestellt werden, Herr Obersturmbannführer?« Ich rang mir ein Lächeln ab.
»Ja, ja. Bringen Sie mich mal zum Lachen!«
Ich zögerte eine Weile.
»Gut, Herr Obersturmbannführer. Wir schreiben das Jahr 1936. Der Propagandaminister Herr Doktor Joseph Goebbels besucht eine deutsche Schulklasse.
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