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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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presste die Lippen zusammen. Er legte eine Hand auf ihren Arm, die sie abschüttelte.
    »Aus-zie-hen!«, brüllte der Deutsche erneut. Sie starrte stur vor sich hin. Der Ungar und der SS -Mann berieten sich kurz und ließen sie in Ruhe. Ich vermutete, dass diese Nachsicht kein Zufall war. Es lohnte sich nicht, sie mit Gewalt auszuziehen und so Proteste oder einen Aufstand zu riskieren.
    Über dem Eingang des »Bunkers« stand Desinfizierte Wäsche. Ich musterte die schwere Holztür mit den Gummidichtungen. In der Mitte befand sich ein Guckloch, das auf der Innenseite durch Eisenstäbe gesichert war. Ich betrat den lang gestreckten Duschraum, der etwas kleiner war, als der mit den Garderobehaken. Unter der Decke verliefen Kupferrohre, die zig kleine Dusch köpfe miteinander verbanden. An einigen Stellen sah man Wasserpfützen auf dem Boden. Es roch nach nassem Beton.
    Nach einer halben Stunde waren so gut wie alle nackt. Der eine oder andere trug noch Unterwäsche, aber bei den vielen nackten Leibern fiel das kaum auf. Beim Betreten des Duschraums wurde Seife ausgeteilt. Die Menschen mussten so weit wie möglich nach hinten durchgehen, um Platz für die anderen zu lassen. Eva Mandelbaum blieb sitzen. Sie saß direkt neben dem Eingang zu den Duschen. Ihr Kleiderhaken, Nummer 1362, war noch leer.
    Der alte Mann, der als Erster hereingekommen war, betrat als einer der Letzten den Duschraum, wobei er sich mühsam auf einen Spazierstock stützte und seine Frau untergehakt hatte. Sie machte sich nicht die Mühe, ihre großen Brüste zu bedecken. Der Einzige, der sich für ihre Blöße genierte, war ich. Schweigend gingen sie hinein. Beide nahmen dankbar ein Stück Seife entgegen.
    Ich stand auf und setzte mich neben die Ballettlehrerin. Sie ignorierte mich genauso wie die anderen Männer.
    »Wenn ich in der Sprache der Barbaren mit Ihnen rede, verstehen Sie mich dann?«, fragte ich auf Deutsch.
    Sie nickte unmerklich.
    »Wie ich hörte, waren Sie eine berühmte Ballerina. Sie sind Eva Mandelbaum. Ich bin Ernst Hoffmann aus Amsterdam. Ein Komiker. Die Deutschen wollen, dass ich vor ihnen auftrete, aber ich habe mich geweigert. Nur für meine eigenen Leute möchte ich eine Vorstellung geben. Jetzt haben sie mich hierhergesteckt. Anscheinend will die SS , dass ich Sie jetzt unterhalte.«
    »Das tut mir leid für Sie«, sagte sie brüsk. »Doch mir ist nicht nach Lachen zumute.«
    »Und mir nicht danach, Witze zu reißen, Mevrouw Mandelbaum. Das passt also. Ich finde es mutig von Ihnen, dass Sie Ihre Kleider anbehalten haben. Das wollte ich Ihnen nur noch sagen.«
    Sie sah mich an. Zum ersten Mal. Sie hatte ein strenges, spitzes Gesicht. »Danke. Ich bin … Ich wurde bereits genug erniedrigt.« Sie zögerte. »Sie sind auch mutig, dass Sie Nein gesagt haben.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich weiß einfach nicht, wie ich diese Mistkerle zum Lachen bringen soll. Sie vielleicht?«
    Sie musste kurz lachen.
    »Das war nicht meine Absicht, Mevrouw Mandelbaum.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie haben gelacht. Schade.«
    Sie versetzte mir einen gespielten Stoß.
    Auf einmal entwischte ein kleiner Junge aus dem Duschraum. Seine Mutter rannte ihm nach. »Joschi, Joschi!« Die SS -Leute tobten und versuchten ihn zu packen, aber er war zu schnell wie ein Hase und entwischte ihnen immer wieder. Die Mutter reagierte vollkommen panisch und jammerte und jammerte. Eva Mandelbaum flüsterte, das Kind habe eine Riesenabneigung gegen Wasser und wollte schon zu Hause nie gewaschen werden. Es rannte auf uns zu und versteckte sich hinter den schlanken Beinen der alten Ballerina. Anscheinend vertraute es ihr mehr als anderen Erwachsenen.
    Ein Deutscher zerrte grob an seinem Arm und holte es unter der Bank hervor. Die Mutter nahm ihr brüllendes, um sich tretendes Kind auf den Arm und mischte sich gehor sam unter die dicht an dicht stehenden Menschen. Sie hatte den Duschraum kaum betreten, als einer der SS -Männer die schwere Holztür mit einem Querbalken verriegelte. Zwei weitere SS -Leute schraubten die Tür auf beiden Seiten luftdicht zu.
    Ich hörte das Lagerorchester nicht mehr. Emil saß ein Stück weiter hinten und starrte zu Boden. Ein Baby weinte.
    »Und jetzt?«, fragte Eva Mandelbaum. Sie klang nervös.
    Ich wusste es auch nicht.
    Aber die Dame, die hier als Einzige komplett angezogen in diesem großen, hallenartigen Raum voller zurückgelassener Mäntel, Kleider, Hüte, Schuhe und Taschen saß, war schon ein stolzer Anblick.
    Auf einmal

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