Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
Vom Netzwerk:
den Diamanten und wog ihn in seiner Hand. »Sie möchten zwei Kinder retten. Mit einem Edelstein?«
    »Es sind eineiige Zwillinge, Herr Obersturmbannführer.«
    Er sah mich an und lächelte. »Jetzt erkenne ich Sie wieder, Hoffmannn. Immer einen Witz auf den Lippen.« Er warf den Stein in die Luft und fing ihn ohne hinzusehen auf. »Bitten Sie mich bloß um keine weiteren Gefälligkeiten mehr. Haben Sie das verstanden?«
    »Es wird nicht mehr vorkommen, Herr Obersturmbannführer.«
    Er ging aus der Tür. Mit dem Diamanten.
    29
    Durfte ich zu Helena oder nicht? Nach meinem Fauxpas mit dem Kommandanten hielt ich es für vernünftiger, noch etwas zu warten, doch nach zwei Tagen konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Der SS -Arzt auf dem Krankenrevier gewährte mir Einlass und nickte mir wie immer desinteressiert zu. Helena war für ihn bestimmt nur ein Klotz am Bein. Sie musste am Leben bleiben. Eine Jüdin! So konnte der Mann eigentlich unmöglich arbeiten!
    Langsam öffnete ich die Tür zu Helenas Kammer, in der Licht brannte. Sie setzte sich auf und hielt die graue Decke schützend vor ihr Nachthemd. Erst jetzt erkannte sie mich. Mit ihrer Linken versuchte sie ihren kahlen Kopf zu bedecken. Sie weinte und lachte gleichzeitig. Ich nahm ihre Hände und küsste sie auf die Schläfe. Sie roch nach abgestandenem Schweiß und billiger Seife. So saßen wir eine Weile aneinandergeschmiegt da, bis sie sich wieder beruhigte.
    Wir schwiegen erneut, obwohl wir uns so viel zu erzählen hatten. Ich hatte geglaubt, ein solches Schweigen sei ausnahmslos alten Ehepaaren vorbehalten, die sich bereits alles gesagt haben. Ich wusste nicht genau, warum wir schwiegen.
    In der kleinen Kammer war es stickig. Ich löste mich von Helena und ging zum Fenster, um das Oberlicht zu öffnen, aber der Rahmen war eingerostet.
    »Sag was!«, bat sie leise. »So sag doch was.«
    »Die Sonne scheint.«
    Sie sah mich schräg von der Seite an. Ein prustender Lacher folgte. »Wie ist das bloß möglich.«
    Ich setzte mich wieder zu ihr. Zwickte sie in die Seite. Sie kicherte. So kann man die Leute auch zum Lachen bringen.
    »Wie geht es dir?«, fragte ich.
    »Besser. Das glaube ich zumindest.«
    »Fieber?«
    »Ja, aber nicht mehr so hoch.«
    Es war und blieb merkwürdig, so viel für diese Frau zu empfinden und zugleich so wenig von ihr zu wissen. Hinter ihrem Namen stand für mich sowohl ein Ausrufe- als auch ein Fragezeichen. Ich fand es seltsam, sie nach ihrem Beruf zu fragen, tat es aber trotzdem.
    »Ich bin Lehrerin«, sagte sie. »An einer katholischen Schule in Amsterdam-Oost.«
    »Bist du etwa keine Jüdin?«
    »Schon, aber das war nie ein Problem. Ich brachte den Kindern Rechnen und Schreiben bei, genau wie immer – in der stillen Hoffnung, den Deportationen zu entgehen.«
    »Und wie kam es dann, dass …?«
    »Ich habe im September 1940 bei der Schule angefangen, gleich nach den Sommerferien. Der Direktor, Meneer Feenstra, war ein guter Mensch. Er konnte mich davon überzeugen, dass ich nicht Weiss, sondern De Wit heißen musste. Juffrouw De Wit: für meine Kollegen, für die Kinder und ihre Eltern. Nur Meneer Feenstra kannte meine Abstammung. Ich habe nie einen Judenstern getragen.«
    »Warst du denn nirgendwo registriert?«
    Sie zuckte die Achseln. »Bestimmt. Nach Henriettes Tod und der Scheidung bin ich mehrmals umgezogen. In Amsterdam-Oost habe ich dann von vorn angefangen. Alleine, ganz auf mich gestellt. Vielleicht habe ich auch einfach Glück gehabt. Sie haben mich nie gefunden. Bis Meneer Feenstra in Pension ging. Er wurde durch einen Mann um die fünfzig ersetzt, der überzeugte Mitglied der NSB-Partei war, ein echtes Scheusal.«
    »Und dann?«
    »Er wusste, dass ich Jüdin bin und nannte mich Mevrouw Weiss. Aber wie er dahintergekommen war, ist mir bis heute ein Rätsel. Er hatte ein Auge auf mich geworfen und hat versucht, mich zu erpressen. So nach dem Motto: Wenn du mitmachst, halte ich den Mund. Nach der Schule hat er mich zu sich ins Büro bestellt und … ich war so empört, so angewidert, ich habe ihm eine schallende Ohrfeige gegeben. Schon einen Tag später standen die Deutschen auf dem Schulhof. Sie holten mich aus der Klasse, führten mich vor den Kindern ab. Meine Kollegen blieben ausnahmslos in ihren Zimmern. Aus Scham vermutlich. Als wir davonfuhren, sah ich nur den NSB -Mann am Fenster stehen.«
    Sie war es nicht mehr gewohnt, so lange zu reden. Inzwischen war sie so müde, dass sie nicht mehr sitzen konnte. Ich half

Weitere Kostenlose Bücher