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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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ein Inspektor vom Roten Kreuz vorbei. Er hatte Gerüchte über das Lager gehört und wollte sich höchstpersönlich ein Bild machen. Er lief durch die Birkenallee und sprach einen ausgezehrten Juden namens Aaron an. ›Wie geht es Ihnen?‹, fragte der Inspektor besorgt. Aaron warf einen kurzen Blick auf die SS -Leute, die den Inspektor begleiteten. ›Prima‹, sagte er. ›Noch zwei Kilo weniger, und ich bin zufrieden.‹«
    Gelächter.
    »›Ich habe gehört, die Deutschen sollen euch nicht gut behandeln.‹
    ›Na ja‹, meinte Aaron, ›dann haben Sie meine Schwiegermutter noch nicht kennengelernt.‹«
    Alle im Saal lachten laut und schienen gar nicht mehr aufhören zu wollen, was mich in eine Art Trance versetzte.
    »›Warum tragen Sie eigentlich einen Schlafanzug?‹, fragte der Inspektor.
    ›Ich ziehe mich gleich um. Sie haben recht: So kann man tagsüber wirklich nicht herumlaufen. Mal ganz im Vertrauen: Wenn es nach mir ginge, könnten die Deutschen ruhig noch für mehr Disziplin sorgen.‹
    ›Und der Gestank im Lager?‹
    ›Das ist … Brandgeruch. Aber nur heute. Um diese Uhrzeit.‹
    ›Und was wird denn da verbrannt, guter Mann?‹
    ›Äh, Läuse. Sie verbrennen Läuse.‹«
    Der Saal tobte. Überall sah ich verzerrte Gesichter mit weit aufgerissenen Mündern. Ich hörte, wie kehlige Laute ausgestoßen wurden.
    »Verbrannte Läuse!«, rief der betrunkene SS -Mann und bekam Schluckauf vor lauter Lachen. »Ja, und die Juden sind so nett, sie mit einzuschleppen.«
    Wieder brüllendes Gelächter.
    Es war, als schüttete mir jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf. Ich bekam Beklemmungen: Ich war kein Komiker mehr, der vor der SS auftrat, sondern ein SS -Komiker. Aber dem Kommandanten blieb gar nichts anderes übrig, als mit mir zufrieden zu sein. Nur das zählte, nicht mehr und nicht weniger. So waren nun mal die Gesetze des Lagers.
    Ich sah zu dem Stuhl hinüber, auf dem mein Vater saß. Er war leer.
    »Wunderbar, Hoffmann!«
    Der Kommandant zog seine weißen Handschuhe aus und sah mich gut gelaunt an. Sein Adjutant stand wieder kerzen gerade neben der Tür. Grosso war irgendwo anders. »Ich habe Ihren Auftritt gestern von Anfang bis Ende verfolgt«, fuhr der SS -Mann fort. »Sie haben sich gut gehalten, und meine Leute hatten Spaß. Ich bin sehr zufrieden.«
    »Danke, Herr Obersturmbannführer.«
    Eine Träne Gottes. So hatte Max seinen Diamanten genannt. Ich tastete in der Tasche meiner gestreiften Jacke nach dem Stein. Schlomos russische Zigaretten hatte ich einem Cellisten gegeben. Ich hatte mit einem Besuch des Kommandanten nach meinem ersten Auftritt gerechnet. Mit einer Träne Gottes konnte ich das Leben zweier Kinder retten – eine wunderbare Vorstellung. Und ein würdiges Gegengewicht zu meinem schlechtesten und erfolgreichsten Auftritt überhaupt.
    »Herr Obersturmbannführer, vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass ich Ihnen von meinem Auftritt im Zug erzählt habe. Auf der Fahrt ins Lager.«
    »Ja sicher.«
    »Der Mann, der wegen meines Auftritts erschossen wurde, hatte zwei Kinder. Ehrlich gesagt, hege ich die Hoffnung, dass Sie etwas für sie tun können.«
    »Tut mir leid, Herr Hoffmann. Mit so etwas darf ich gar nicht erst anfangen. Kinder, sagen Sie. Das wäre ohnehin vergebliche Liebesmüh.«
    »Sie müssen das nicht unentgeltlich tun, Herr Obersturmbannführer. Wie ich bereits sagte: Der Mann war Diamantenhändler.« Ich legte den Stein auf den Tisch. Sein Blick glitt schnell von mir zu dem Diamanten. Plötzlich holte er aus und gab mir mit der flachen Hand eine schallende Ohrfeige.
    »Verdammt!«, rief er. »Was bilden Sie sich eigentlich ein! Glauben Sie, Sie können mich bestechen?«
    Ich wich zurück. »Keineswegs, Herr Obersturmbannführer«, stotterte ich. Ihm war der Kamm geschwollen, und er kochte vor Wut. Ich hatte alles aufs Spiel gesetzt, und konnte auf einen Schlag alles verlieren. Ich war wie betäubt. Er ging zum Fenster und sah hinaus. »Am liebsten«, sagte er, ohne mich anzuschauen, »würde ich Sie jetzt einem Strafkommando zuteilen.«
    »Ja, Herr Obersturmbannführer.«
    »Aber Sie handeln nicht aus eigennützigen Motiven, versprechen sich keinen persönlichen Vorteil davon. Das ist etwas anderes.«
    »Ich tue das nur für die Zwillinge, Herr Obersturmbannfüh rer. Für zwei holländische Jungen im Alter von zwölf …«
    »Zwillinge, sagen Sie.«
    »Ja, Herr Obersturmbannführer. Zwillinge. Die Söhne von Max de Ronde.«
    Er ging zum Tisch, nahm

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