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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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wie Fühler.
    Ein paar SS -Leute in schwarzen Hemden standen auf der Natursteintreppe. Sie lachten wie kleine Jungen – einer schubste einen Kameraden scherzhaft zur Seite. Über der Tür hing eine schwarze Laterne, darauf prangte ein Zinnmännchen auf einem Bierfass, das den Daumen hob. Mit ein bisschen gutem Willen konnte man die Geste als Aufforderung verstehen.
    Gemeinsam mit meinem Bewachern betrat ich das Gebäude durch einen Seiteneingang. Ent lang der weiß gekalkten Wände waren Bierkisten aufeinander gestapelt. Ich hörte die zarten Klänge einer Geige, begleitet von einem Klavier. Der schmale Flur führte in die Küche, wo ein dicker Mann mit einer weißen Schürze in einem großen eisernen Suppenkessel rührte. Sein Inhalt sah ganz anders aus als die geschmacklose, wässrige Brühe, die in den Baracken ausgegeben wurde … Ich roch Hühnerfleisch und Petersilie. Meine Begleiter brachten mich in das dahinter gelegene Büro und warteten vor der Tür.
    Ich war mindestens so aufgeregt wie bei meinem ersten Auftritt in der Billardkneipe De Pierewaaier an der Prinseng racht. Unter den kritischen Blicken des Wirts, eines walross artigen Mannes, der selten etwas sagte und noch seltener lachte, hatte ich mich inmitten der klickenden Billardkugeln und des Gestanks nach abgestandenem Bier behaupten müssen. Doch in puncto Entspannung verließen sich die meisten Stammgäste lieber auf ihr Gläschen Schnaps vor sich auf der Tischdecke als auf den jungen Kerl, der unbedingt Komiker werden wollte.
    Nach fünf Sekunden hatte ich ihre Aufmerksamkeit.
    »Ein Pils für einen Lacher!« Ich schaffte es, sie bis zum Schluss zu fesseln. Anschließend verrechnete der Wirt meine Gage mit einer Runde aufs Haus.
    Ich hörte brüllendes Gelächter.
    Mit welchem Publikum würde ich es wohl hier zu tun haben? Musste ich vor Hitlers großmäuligem Blut-und-Bo den-Deutschland auftreten oder vor dem gebildeten Deutschland eines Goethe, Schopenhauer und Bach? Oder noch schlimmer, vor einer Mischung aus beidem? Ich nahm mir vor, mir meinen Vater als Zuhörer vorzustellen. Auf ihn würde ich mich konzentrieren.
    Ein Deutscher erschien an der Tür und winkte mich zu sich. Ich musste am Herd in der Küche warten. Durch die Tür sah ich Jakob, den Geiger. Der Kommandant kam herein, auch er durch den Seiteneingang. »Herr Hoffmann«, sagte er zufrieden, »endlich können wir Sie bewundern! Ich habe beschlossen, mich nicht in die Kantine zu setzen. Meine Anwesenheit würde die Männer viel zu sehr beeinflussen. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Darbietung!« Er steckte sich eine Zigarre in den Mund, die von einem seiner Adjutanten angezündet wurde.
    Drinnen waren alle Plätze belegt. An der Bar saßen ein paar sternhagelvolle Schwarzhemden. An mindestens zehn runden Tischen saßen SS -Leute, darunter auch einige Frauen. Zigarettenrauch dämpfte das Licht der hoch stehenden Mittagssonne. An der Wand hing ein grinsender Eberkopf mit gefletschten Hauern.
    Ein dürrer SS -Mann mit Hakennase, der aussah wie ein verkleideter Häftling, stand auf. »Kameraden!«, rief er feier lich. »Helmut, Bastian, Karl und Hans kommen morgen an die Ostfront. Heute ist ihr letzter Tag hier. Bereiten wir ihnen einen würdigen Abschied! Musik!« Jakob eilte zu ihrem Tisch.
    Die Fahne hoch!
    Die Reihen fest geschlossen!
    SA marschiert
    Mit ruhig festem Schritt
    Kam’raden, die Rotfront und Reaktion erschossen
    Marschier’n im Geist
    In unsern Reihen mit
    Jeder stand auf und sang mit. Einige blickten in die Ferne und hatten die Hand aufs Herz gelegt. Jakob spielte mit geschlossenen Augen. Eine Geige als Marschbegleitung war natürlich absurd, aber er lächelte. Wahrscheinlich hatte er das Horst-Wessel-Lied schon öfter spielen müssen.
    »Gut gefiedelt«, rief der Zeremonienmeister. »Und jetzt das hier!«
    Ihr Sturmsoldaten jung und alt,
    Nehmt die Waffe in die Hand,
    denn der Jude haust ganz fürchterlich
    Im deutschen Vaterland.
    Wenn der Sturmsoldat ins Feuer geht,
    Ja, dann hat er frohen Mut.
    Und wenn das Judenblut vom Messer spritzt,
    Dann geht’s noch mal so gut.
    Jakob versuchte krampfhaft, dem widerlichen Soldatenlied zu folgen, aber trotz seiner Virtuosität unterliefen ihm Patzer. Bei jedem falschen Ton bekam er eine schallende Ohrfeige. Der SS -Mann erledigt das ohne jede sichtbare Regung. Ich sah die Verzweiflung in Jakobs Augen, sein Lächeln erstarb, aber er spielte tapfer weiter.
    Die Deutschen johlten und applaudierten sich selbst. Jakob versetzte

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