Das Laecheln der Chimaere
getötet. Mein eigener Vater. Dieser Schuft. . . Dieses Schwein . . . Ich hasse ihn! Verhaften Sie ihn, stellen Sie ihn als Mörder vor Gericht! Ich werde Ihr Zeuge im Prozess sein – er hat ihn gemeinsam mit Kitajew ermordet! Das werde ich aussagen!«
Die Worte sprudelten unaufhaltsam, wie von selbst, aus ihm hervor. Nikita schaltete das Handy ein und überprüfte den Speicher. Die letzte gespeicherte Nummer notierte er sich.
»Haben Sie das Gespräch Ihres Vaters mit Ihrem Freund mitgehört?«, fragte er.
»Nein, ich war gerade nicht da . . . Ich musste geschäftlich weg. Als ich zurückkam, war der Legionär schon nicht mehr in der Wohnung. Nur die Autoschlüssel lagen auf dem Tisch und dieses Handy . . .«
»Das ist doch Ihr Handy, Philipp«, unterbrach ihn Kolossow. »Hat der Legionär es benutzt? Hat er die Anrufe für Sie entgegengenommen?«
»Ja doch, ja! Ist das denn jetzt noch wichtig? Ich habe Ihnen doch gesagt: Mein Vater hat ihn angerufen, irgendwohin bestellt, in eine Falle gelockt und zusammen mit Kitajew umgebracht.«
»Und haben Sie auch eine Ahnung, aus welchem Grund die beiden Ihren Freund umgebracht haben könnten?«
Philipp blickte auf die Fotos, die auf dem Schreibtisch lagen. Er schwieg.
»Wie, Sie kennen diesen Grund nicht? Und dass Ihr Legionär in Wirklichkeit Nikolaj Djakow heißt, wissen Sie auch nicht?«
»Doch, ich kannte seinen Namen«, antwortete Philipp. »Aber er wollte lieber Legionär genannt werden.«
»Und dass er früher bei einer Spezialeinheit des Innenministeriums gedient hat, wussten Sie das auch?«
»Ja, das hat er mir gesagt.«
»Und dass er sechs Jahre im Gefängnis gesessen hat?«
Philipp fuhr hoch: »Was? Wann? Weshalb?«
Katja beobachtete von ihrem Platz aus mit angehaltenem Atem seine Reaktion. Nein, er log nicht. Das war neu für ihn. Natürlich, wie konnte es auch anders sein. Wenn Djakow der Maulwurf gewesen war, Milowadses Mann, dann hatte er seine Vergangenheit sorgfältig verbergen müssen . . .
»Sie lügen!«, schrie Philipp zornerfüllt. »Sie lügen, ich glaube Ihnen nicht! Wann soll er gesessen haben? Er hat doch beim Ministerium gearbeitet, und dann war er im Krieg . . .«
»Der Legionär war niemals in Tschetschenien, Philipp«, antwortete Kolossow. »In der fraglichen Zeit hat er eine Haftstrafe in einem Straflager in der Nähe von Archangelsk verbüßt, wegen Trunkenheit am Steuer und fahrlässiger Tötung. Ich weiß nicht, was das für eine Freundschaft zwischen euch beiden war, dass ihr zusammengehalten habt wie Pech und Schwefel, und was für Märchen er dir aufgetischt hat, dass du bereit bist, seinetwegen deinen eigenen Vater ans Messer zu liefern und ihn völlig unbegründet, nur wegen irgendeiner Telefonnummer im Handy, des Mordes zu beschuldigen . . .«
»Völlig unbegründet?«, zischte Philipp. »Seine Telefonnummer im Handy reicht Ihnen also noch nicht? Ist Ihnen auch das zu wenig?« Er wies mit dem Kopf auf die Fotos. »Dann will ich Ihnen noch einen Beweis liefern: Womit ist der Legionär getötet worden? Mit einer Makarow? Ja? Mein Vater hat eine solche Pistole. Und ich weiß, wo er sie aufbewahrt. Übrigens, an dem Abend, als Sie mich wegen Teterin verhört haben, hat er diese Pistole verheimlicht und nicht abgegeben. Auch das weiß ich! Und ich kann Ihnen zeigen, wo sie war!«
»Moment, was sagst du, was für eine Pistole hat dein Vater?«, unterbrach ihn Kolossow.
»Eine Makarow! Sie liegt im Safe hinter einem Bild in seinem Büro im Kasino. Manchmal trägt er sie auch bei sich. Solange ich zurückdenken kann, hat er sie immer gehabt!«
Nikita setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Katja begann auf der Schreibmaschine zu klappern. Jetzt kam es darauf an, so schnell wie möglich zu tippen und kein Wort seiner Aussage auszulassen. Nachdenken konnte sie später.
Sie bemühte sich, Philipp nicht anzusehen. Sie konnte seinen Blick nur mit Mühe ertragen, er bereitete ihr physisches Unbehagen. Sie begriff selbst nicht recht, was sie empfand – Mitleid oder Widerwillen. Nikita hüllte sich in Schweigen. Nach dieser »Makarow«, die Philipp mit solch leidenschaftlichem, anklagendem Hass hinausgeschrien hatte, schienen ihm die richtigen Worte für die nächste Frage zu fehlen. Schließlich stellte er sie doch: »Wo hielt sich Djakow auf, als Egle Taurage ermordet wurde, bei Ihnen?«
»Nein, er war weggefahren.«
»Wohin?«
Philipp schaute zu Boden. Seine ganze Haltung besagte: Was hat das jetzt noch für eine
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