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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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schien Katjas Worte gar nicht zu hören. Sie musste ihn erst am Ärmel seines Mantels zupfen. Bei der Berührung spürte sie, dass die Wolle völlig durchnässt war. Überhaupt sah der ganze Mantel so aus, als hätte man ihn im Schnee gewälzt – die Schöße hingen schlaff herab, vorn fehlten mehrere Knöpfe.
    »Zu wem wollen Sie?«, fragte Katja. »In welcher Angelegenheit?«
    »Ich muss dringend Anzeige erstatten.« Philipp schaute sich misstrauisch um, als wisse er selbst nicht so genau, was er weiter tun solle. »Ich will mitteilen, dass . . . Ich will eine Aussage machen.«
    »Wenn es so ist, kommen Sie mit.« Katja führte ihn über den schmalen Flur zur Mordkommission, öffnete die Tür zu Kolossows Büro, das sie erst vor fünf Minuten verlassen hatte, und ließ Philipp vorgehen.
    Es folgte eine kurze Szene ohne Worte. Katja rückte für Saljutow junior gastfreundlich einen Stuhl herbei, während Kolossow ihn schweigend betrachtete, als sei er eine Statue im Museum. Dann holte sie die Schreibmaschine aus dem Schrank, stellte sie auf den Tisch, spannte ein Protokollformular ein und setzte sich dahinter. Auf diese Weise gab sie Kolossow zu verstehen, dass sie nicht zu gehen beabsichtigte und bei diesem Verhör die Rolle der Sekretärin spielen wollte.
    Philipp hatte Kolossow wieder erkannt.
    »Ich wollte zu Ihnen«, sagte er. »Ich muss eine Anzeige erstatten.«
    »Zuerst einmal guten Tag, Philipp«, sagte Kolossow. »Setzen Sie sich und erzählen Sie. Ist etwas passiert?«
    »Ja. Ich möchte mitteilen, dass mein Freund seit gestern verschwunden ist. Ich habe ihn schon überall gesucht. Aber er ist nirgends zu finden.« Philipp starrte wie hypnotisiert auf die vor Kolossow liegenden Fotos. »Sie haben doch von Anfang an diesen Fall bearbeitet, die Morde im Kasino meines Vaters . . .« Er streckte plötzlich die Hand nach den Fotos aus. »Was ist das? Das ist doch . . .«
    Die Fotos flatterten aus seinen erschlaffenden Fingern wie ein sich auffächerndes Kartenspiel und fielen zu Boden. Sein Gesicht wurde aschfahl.
    »Wo haben Sie ihn gefunden?«, fragte er dumpf. »Wann?«
    »Heute Morgen um fünf an der Rubljowskoje-Chaussee«, antwortete Kolossow.
    »Ich wusste es . . . Ich habe gespürt, dass er tot ist.« Philipp bückte sich und hob die Fotografien auf. Als er sich aufrichtete, schien es Katja erneut, als überschwemme sie diese graue, trübe, berghohe Welle, die alles mit sich riss.
    »Ich will eine Aussage machen«, sagte Philipp. »Ich weiß, wer es getan hat. Ich werde als Zeuge gegen ihn aussagen, hier und vor Gericht. Schreiben Sie das auf, dass ich alles sagen werde. Wieso schreiben Sie nicht?«
    Katja fuhr zusammen, so laut hatte er geschrien. Sie beugte sich über die Schreibmaschine.
    »Also wer hat den Legionär ermordet?«, fragte Nikita.
    »Mein Vater.«
    Als hätte man das Licht ausgeknipst und sofort darauf wieder angemacht. Hell, gleißend, blendend. Die beiden Männer standen einander gegenüber, nur der Schreibtisch trennte sie. Katja saß wie gelähmt an der Schreibmaschine.
    »Was redest du da für einen Unsinn, Junge?«, sagte Kolossow leise. »Ist dir klar, was du gerade gesagt hast? Ist dir das klar?«
    »Mein Vater hat ihn getötet«, wiederholte Philipp Saljutow störrisch. »Ich weiß es und kann es beweisen. Und bestimmt hat Kitajew ihm dabei geholfen. Er tut alles, was mein Vater ihm sagt. Er ist ihm ergeben wie ein Hund. Ein Hund!«
    Er fiel auf den Stuhl und schlug die Hände vors Gesicht. Kolossow kam hinter dem Schreibtisch hervor, goss aus dem Teekocher etwas Wasser in ein Glas und beugte sich zu Philipp hinunter.
    »Hier, trink. Beruhige dich . . .«
    Philipp stieß seine Hand zornig beiseite. Das Wasser bespritzte ihn und seinen ohnehin schon patschnassen Mantel.
    »Sie glauben mir nicht, wie?«, schrie er. »Mein Vater hat ihn umgebracht! Ich kann es beweisen. Hier!« Mit einem Ruck riss er aus seiner Manteltasche ein Mobiltelefon und hielt es Kolossow hin.
    Der nahm das Handy und wartete auf weitere Erklärungen.
    »Der Legionär ist weggefahren. Wohin, mit wem, darüber hat er mir nichts gesagt. Hier, das Telefon hat einen Anrufspeicher.« Philipp drückte auf die Tasten. »Das ist die letzte Nummer, von der aus er gestern Abend angerufen worden ist – die Privatnummer meines Vaters. Er hat ihn gestern angerufen, verstehen Sie? Und nach diesem Anruf ist der Legionär weggefahren, ohne mir etwas zu sagen. Und jetzt dies!« Philipp wies auf die Fotos. »Er hat ihn

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