Das Laecheln der Chimaere
Bindjushny. Nikita setzte ihn vertraulich flüsternd über die neue Wendung in Kenntnis. Dann fuhren sie mit beiden Autos weiter zum Eingangstor. Philipp stieg aus und tippte den Zahlencode für das Tor ein. Doch da tauchte schon ein Wachmann auf. Als er den Sohn seines Chefs in Begleitung irgendwelcher Unbekannter erblickte, war er sichtlich beunruhigt.
»Ist mein Vater da?«, fragte Philipp kurz.
»Nein, Waleri Wiktorowitsch ist nicht zu Hause.« Der Wachmann starrte sie nervös an. »Philipp Walerjewitsch, was . . . was ist denn los?«
»Wer ist zu Hause?«, unterbrach ihn Philipp.
»Alle – Polina Sacharowna, die Kinder, Marina Lwowna. Und alle Angestellten.«
»Er ist bestimmt im Kasino.« Philipp drehte sich zu Kolossow um. »Fahren wir dorthin!«
»Nein, zuerst wollen wir uns hier unterhalten.« Kolossow wandte sich an den Wachmann: »Ich möchte Marina Lwowna sprechen, richten Sie ihr aus, wir kommen von der Mordkommission. Hier ist mein Dienstausweis.«
Aber Philipp ließ dem Wachmann keine Zeit, den Ausweis in Augenschein zu nehmen – er schob ihn einfach zur Seite, griff sich die Fernbedienung und öffnete das Schiebetor selber. Beide Wagen rollten in den Hof.
Die prächtige dreistöckige Villa mit ihrem schweren Ziegelsteindach ähnelte ein wenig einem reichen Gutshof irgendwo in den bayrischen Alpen. Junge Lebensbäumchen standen zu beiden Seiten des in grauem Granit ausgeführten Eingangs. Aus dem verschneiten Garten, der hinter dem Haus lag, hörte man Kinderstimmen und Gelächter.
Katja wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte: im Auto sitzen bleiben oder es riskieren, noch einmal der Witwe zu begegnen? Philipp hatte sie nicht wieder erkannt, aber so viel Glück würde sie bei Marina sicher nicht haben.
Nachdenklich blieb sie ein wenig hinter den anderen zurück und ging neben dem Wachmann her, der den drei Männern folgte. Im Garten gab es einen richtigen Kinderspielplatz: Eine hohe Rutschbahn aus Kunststoff war dort aufgebaut, daneben standen zwei imposante Schneemänner mit Eimern auf dem Kopf und Nasen aus Mohrrüben, ganz wie es sich gehörte. Auf einer im Schnee festgetrampelten Plattform trottete ein kleines Shetlandpony langsam im Kreis.
Die beiden jüngsten Saljutows wurden von einem Kindermädchen beaufsichtigt. Beim letzten Mal hatte Katja nur den kleineren Sohn gesehen. Jetzt waren beide Kinder zusammen: Der ältere – ein etwa fünfjähriger Junge in kurzer Steppjacke und einem Jockeyhelm auf dem Kopf – sattelte gerade geschickt das Pony und zurrte die Bauchriemen fest. Der jüngere – eben jener Walerik, der aussah wie ein Wichtel – beobachtete seinen Bruder mit sichtlicher Begeisterung, verfolgte jede seiner Bewegungen und schlug dabei mit seiner gelben Plastikschaufel in den Schnee, direkt vor die Schnauze des Pferdes.
Die Kinder erblickten Philipp. Der Altere ergriff die Zügel des Ponys.
»Hallo, Philipp!«, schrie er freudig. »Guck mal, wie ich gleich über die Hindernisse reite!«
Philipp blieb stehen und beobachtete die Kinder angespannt. Seine beiden Neffen rannten ihm, begleitet von dem prustenden Pony, fröhlich hüpfend entgegen. Sie taten alles so synchron, dass man gleich merkte: Saljutows Enkelsöhne hingen trotz des Altersunterschiedes sehr aneinander. Und für Walerik, den jüngeren, war der große Bruder das Vorbild, dem er in allem nacheiferte.
Das Pony bockte plötzlich und blieb stehen, sein kleiner Herr spornte es vergeblich zur Eile an und zog am Zügel. Walerik rannte über den verschneiten Weg voraus, rollte wie ein kleiner Ball durch den Schnee und schwenkte dabei seine gelbe Schaufel, bis er mit vollem Schwung, vergnügt kichernd, an Philipps Knie stieß. Katja wartete darauf, dass der seinen Neffen auf den Arm nahm und in die Luft warf, wie damals Saljutow im Foyer des Fitness-Centers. Aber Philipp rührte sich nicht.
»Gehen wir ins Haus, dort wird sie sein«, sagte er nur abgehackt, schob das Kind beiseite und ging rasch auf den Hauseingang zu. Sie folgten ihm. Katja schaute sich um: Die beiden Kinder standen im Schnee und starrten hinter ihnen her. Das Pony, das wieder losgelassen worden war, trottete seiner Gewohnheit nach langsam und ernsthaft im Kreis herum.
Marina Saljutowa erwartete sie bereits auf der Vortreppe. Sie trug eine elegante, dunkelblaue Schaffelljacke. Ihr Haar war glatt zurückgekämmt und im Nacken zu einem dicken Pferdeschwanz gebunden. Neben ihr stand wie ein Schatten ein Leibwächter.
»Guten Tag, wollen
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