Das Laecheln der Chimaere
ganze Familie ein schwerer Tag. Philipp ist im Augenblick einfach nicht ganz bei sich. Igor, mein Ältester, und er standen sich sehr nahe, wie Freunde. Er leidet sehr unter seinem Tod, deshalb redet er so viel dummes Zeug . . . Auch ich selber reiße mich nur mit Mühe zusammen. Entschuldigen Sie, wenn ich ausfallend geworden bin.« Er legte die Hände auf den Tisch. »Und jetzt noch Teterins Tod . . . Philipp ist verwirrt, erregt, genau wie ich, wie wir alle. Er . . . Er wird sich gleich wieder an alles erinnern und alles erklären. Warst du in der Toilette im Vestibül? Hast du Teterin gesehen? Gib Antwort, wenn du nicht willst, dass man dich wegen deiner Faxen festnimmt und aufs Revier bringt!«
Philipp hob den Kopf und blickte seinen Vater an. In seinem Gesicht ging eine Veränderung vor sich. Der angeberische Ausdruck verschwand. Er sah nur noch müde und blass aus. Und sehr jung – das schmale, magere Gesicht wirkte ganz knabenhaft.
»Ja, ich war dort«, erwiderte er leise. »Aus der Bar bin ich einmal hingegangen. Und ich habe Teterin gesehen. Er saß im Raucherzimmer hinter seinem Tischchen und löste ein Kreuzworträtsel. Anschließend bin ich nach oben gegangen, dort sagte mir Ravil, ihr wärt alle schon hier und wartetet auf mich.«
Saljutow nickte, als wolle er Kolossow zu verstehen geben, ja, so war es, mein Sohn spricht die Wahrheit. »Es war so gegen neun, als ich meinem Sohn ausrichten ließ, dass wir auf ihn warten, oder Viertel vor neun«, fügte er hinzu.
»Na wunderbar, dann wäre ja alles geklärt.« Nikita nahm Peskows Pistole vom Tisch, wickelte sie aus der Serviette, überprüfte noch einmal die Sicherung und steckte die Waffe in die Tasche seiner Lederjacke. »Wozu dieses ganze Hin und Her! Sie hätten doch sofort kurz und klar meine Fragen beantworten können.«
Er erhob sich. Die anderen blickten ihn abwartend an, als wollten sie nicht glauben, dass er alles so einfach akzeptierte. Kitajew wartete sichtlich darauf, dass Kolossow ihn bitten würde, auch Shanna Basmanjuk nach oben zu rufen.
Aber Kolossow war offenbar mit dem, was er gehört und gesehen hatte, völlig zufrieden.
»Denken Sie bitte an die Filme«, sagte er, »ich möchte sie gleich mitnehmen. Es wäre gut, wenn einer Ihrer Mitarbeiter sie mir erklären könnte.«
»Das kann ich selber tun«, sagte Kitajew.
»Wunderbar. Danke, das ist vorläufig alles.« Nikita wandte sich an Saljutow. »Die Leiche werden wir zur Autopsie in die Anatomie bringen. Die Angehörigen werden von uns benachrichtigt.«
Saljutow stand auf. Sein Sohn blieb sitzen, die Ellbogen auf den Tisch gestützt. Kolossow hatte den Eindruck, dass diese beiden wohl noch ein ernsthaftes Gespräch miteinander führen würden, sobald Kitajew und er fort waren. Aber da ertönten draußen auf dem Flur laute Stimmen und das Getrappel von Schritten. Es wurde an die Tür geklopft, ein Wachmann erschien und hinter ihm ein ganzer Rattenschwanz von Leuten: der Untersuchungsführer der Staatsanwaltschaft mit der Protokollmappe, der Chef des lokalen Milizreviers und sechs Männer des Einsatzkommandos und der Spezialeinheit OMON (OMON ist eine Antiterror-Spezialeinheit der Miliz.) . An ihrem geschäftigen Gehabe erkannte Kolossow, dass die Kontrolle der Gäste in den Spielsälen erfolgreich abgeschlossen worden war.
»Sokolnikow, Hauptuntersuchungsführer für besondere Aufträge«, stellte sich der Mann von der Staatsanwaltschaft mit farbloser Stimme vor. »Sind Sie der Besitzer des Kasinos? Gut, mit Ihnen muss ich mich unterhalten. Und Sie sind der Leiter der Mordkommission? Auch Sie muss ich noch sprechen, warten Sie unten im Vestibül auf mich.« Er zog einen Stuhl heran, setzte sich an den Tisch und legte die Mappe vor sich. »Also Sie sind der Chef hier? Ich muss Sie als Zeugen befragen und weise Sie darauf hin, dass Sie für falsche Aussagen und für die Verweigerung von Aussagen juristisch zur Verantwortung gezogen werden können.«
Kolossow zupfte Kitajew höflich am Ärmel: Wie steht’s mit den Videos?
Als sie die Tür hinter sich zuzogen, hörten sie die krächzende Stimme Sokolnikows und den anschließenden wütenden Ausruf Saljutows: »Welches Recht haben Sie dazu? Was soll das heißen – das Kasino schließen? Was gibt es denn noch aufzuklären? Das ist Willkür . . .«
»Oje, so ein nerviger Typ.« Kolossow schüttelte teilnahmsvoll den Kopf und warf einen vielsagenden Blick zur Tür. »Der bringt es glatt fertig und macht Ihren Vergnügungstempel
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