Das Laecheln der Chimaere
denke. Die Schlüsse musst du selber ziehen. Wie steht es mit unserer Abmachung?«
»Die habe ich nicht vergessen. Aber deine Frist läuft erst morgen Abend ab. Ich werde versuchen, bis dahin die Staatsanwaltschaft davon zu überzeugen, dass ein Gasarow in Freiheit uns nützlicher ist als ein eingesperrter.«
Gasarow horchte misstrauisch auf und zog ein finsteres Gesicht – als ahne er die Falle.
»Verstehst du, was ich meine?«, fragte Kolossow leise. »Obuchow hast du damals abblitzen lassen. Aber ich bin nicht er. Ich akzeptiere keine Abfuhr von dir. Bei den Trümpfen, die ich gegen dich in der Hand habe, ist das mein Spiel. Du hast noch genügend Zeit, alles gründlich zu überdenken und dann die einzig richtige Entscheidung zu treffen, mein Lieber.«
20
Nikita verspätete sich um eine Viertelstunde. Katja hatte im Büro des Pressezentrums geduldig auf ihn gewartet. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, worüber er sprechen wollte und was diese Blondinen und Brünetten zu bedeuten hatten. Den Mord im Spielkasino hatte sie längst vergessen. Und so war sie unangenehm überrascht, als Nikita wieder auf dieses Thema zurückkam und ihr bedrückt mitteilte, dass in diesem Kasino mit dem seltsam proletarisch klingenden Namen »Roter Mohn« ein weiterer Mord geschehen sei. Nachdem sie den ganzen Tag vor Ungeduld und Neugier fast vergangen war, fühlte sie nur Langeweile und Enttäuschung, als das Wort »Kasino« fiel. Vielleicht deshalb, weil das für sie alles so weit weg war, als wäre es auf dem Mond passiert – unendlich weit entfernt von der Welt, in der sie selbst lebte.
Ja, wenn dieser Fall erfolgreich aufgeklärt würde, könnte er eine echte Sensation sein, und jede Zeitung würde ihr die Story aus den Händen reißen. Aber nicht einmal die Aussicht darauf verlockte sie. Das ist nicht mein Fall, dachte sie. Ich will die Details gar nicht wissen. Wie soll ich ihm bei so einem Fall aus der Welt des Mondes helfen?
»Es interessiert dich überhaupt nicht, wie?«, fragte Kolossow.
Katja hätte beinahe den elektrischen Wasserkocher fallen lassen. Nikita war hungrig wie ein Wolf aus Skarabejewka gekommen, und sie hatte sofort alle Teevorräte des Pressezentrums aus dem Schrank gekramt.
»Nein, wieso, es interessiert mich schon, nur . . . Du weißt doch, über die Mafia schreibe ich keine Reportagen. Ich kann diese Geschichten nicht ausstehen.«
»Vielleicht war es die Mafia, vielleicht aber auch nicht«, sagte Kolossow.
»Also Saljutow, der Besitzer des › Roten Mohn ‹ , und seine Leute haben den Verdacht, dass im Kasino jemand arbeitet, der von ihrem Feind gekauft ist, von diesem, wie heißt er doch . . . Chwantschkara?« Katja musste einen Moment überlegen, bis ihr der Spitzname von Milowadse wieder einfiel. »Und der in seinem Auftrag im Kasino einen Mord begeht? Habe ich das richtig verstanden?«, fragte sie, als Nikita seinen Bericht beendet hatte und sich über das Gebäck und die Reste des Sandkuchens aus dem Kühlschrank des Pressezentrums hermachte. »Und diesem sogenannten Maulwurf war es ganz egal, wen er umbrachte, Hauptsache, Saljutows Geschäft war damit ruiniert und er verlor seine Lizenz?«
»Mhm, das ist augenblicklich die Haupttheorie.«
»Und das Ziel von alledem ist die Absicht, Saljutow einzuschüchtern und ihm die Möglichkeit zu nehmen, über diesen Milowadse-Chwantschkara irgendwelche entlarvenden Aussagen im Zusammenhang mit einem anderen Mord zu machen, dessen Auftraggeber eventuell Milowadse sein könnte?«
»Ja. Genauer gesagt, Saljutow soll nicht eingeschüchtert werden, ihm soll grundsätzlich die Lust auf fremde Geheimnisse vergehen, er soll froh sein, wenn er aus der Bredouille wieder herauskommt und das Geschäft, in das er so viel Geld gesteckt hat, retten kann.«
»Weißt du, Nikita, das ist alles irgendwie zu kompliziert«, sagte Katja.
»Aber trotzdem logisch.« Er seufzte. »Und vor allem, im Kasino glauben sie selber, dass das der Grund für die Morde ist. Aber weißt du, was mich stört? Jeder, von dem ich dir erzählt habe – ob er nun im Kasino angestellt ist oder ob er Gast ist – könnte der von Milowadse gekaufte Mann sein. Abgesehen natürlich von Saljutow selbst und vielleicht noch seinem Sohn und Erben. Aber einige der Verdächtigen haben außer diesem Hauptmotiv für den Mord auch noch andere, rein persönliche Motive. Zum Beispiel Gasarow-Aligarch. Über ihn hat man mir im Kasino gesagt: Er könnte durchaus der von Chwantschkara bezahlte
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