Das Laecheln der Chimaere
lassen. Ich möchte dich, Katja, bitten, dir diese Frauen mal näher anzuschauen. Zumindest die beiden jüngeren – Saljutows Schwiegertochter und diese Egle. Sieh sie dir an, mach dir ein Bild von ihnen. Mit etwas Glück lernst du sie vielleicht sogar näher kennen.«
»Wie stellst du dir das vor? Ich kenne sie bisher nicht einmal vom Sehen!«
»Wie – das werden wir gemeinsam überlegen. Einverstanden?«
Katja war verwirrt. Fast hätte sie mit einer bissigen Bemerkung geantwortet, aber dann brummelte sie doch nur: »Also, ich weiß nicht. . . wenn du meinst, das nützt was . . .«
»Na, wenn nichts dabei herauskommt – auch gut. Ich sage dir ehrlich, Katja, allein werde ich aus denen nicht schlau. Das sind für mich Geschöpfe von einem anderen Stern.« Er seufzte. »Und Sokolnikow wird auch nichts Gescheites zuwege bringen. Für dich ist die Welt des Kasinos, wie du sagst, so weit weg wie der Mond, aber für mich ist eure Welt, die Welt der Frauen, Alpha Zentauri.«
»Glaubst du im Ernst, Saljutows Schwiegertochter könnte ein Maulwurf sein?«, fragte Katja spöttisch.
»Ich weiß nicht. Nein.« Kolossow schüttelte den Kopf. »Gesehen habe ich diese Marina erst zweimal, und auch da nur flüchtig. Es ist etwas Ungewöhnliches an ihr. Etwas Seltsames . . . Schön ist sie wie ein Fotomodell, aber . . . irgendwas stimmt nicht mit ihr. Allerdings hat sie ja erst vor kurzem ihren Mann verloren, das hat sie sicher sehr mitgenommen . . .«
»Sie ist die Brünette?«, fragte Katja.
»Ja. Die Blondine ist Egle Taurage. Bei ihr blicke ich überhaupt nicht durch: Wer ist sie, was tut sie im Kasino? Sie lebt mit Gasarow zusammen, der bezeichnet sie als seine Frau. Und Saljutow . . . Der nimmt sie vor Gasarows Augen, in aller Öffentlichkeit, in seine Arme.«
»Aber da stand sie durch den Tod ihres Bruders unter Schock. Vielleicht wollte Saljutow sie nur beruhigen.«
»Du hast die beiden nicht gesehen – ihn und Gasarow. Ob der Alte auf Gasarow eifersüchtig ist? Jedenfalls ist das alles ziemlich seltsam. Wenn so ein Nymphchen um einen fast Sechzigjährigen, der ihr Vater sein könnte, herumschwirrt, steckt meist nichts Gutes dahinter.«
»Glaubst du, diese Egle ist Saljutows Geliebte?«
»Tja, was kann sie im Kasino sonst sein, wenn sie dort nicht angestellt ist und der Boss ihr derartige Aufmerksamkeit schenkt?«, fragte Kolossow finster grinsend. »Ich vermute, er ist scharf auf sie, und Gasarow stört ihn dabei. Vielleicht hat sich Egles Bruder ja auch deswegen mit Gasarow überworfen, weil er sein Schwesterchen lieber in Saljutows Bett legen wollte, um von dem dann entsprechend belohnt zu werden.«
»Du wirst geschmacklos! Sie ist sicher auch sehr schön?«
› Ja, sie sieht ganz passabel aus. Sogar sehr passabel.«
»Vielleicht hat Saljutow sich in sie verliebt? Liebe kennt keine Altersgrenzen. Aber was nützt es zu spekulieren. Sehen wir uns diese geheimnisvollen Damen gemeinsam näher an. Allerdings, Nikita . . . Tiefschürfende Persönlichkeitsstudien darfst du von mir nicht erwarten, zur Psychoanalytikerin tauge ich nicht.«
»Wunderbar.« Kolossow erhob sich rasch von seinem Stuhl. »Morgen fangen wir an. Bitte fahr nirgendwohin und bleib nach der Arbeit noch hier. Wenn sich etwas ergibt, müssen wir improvisieren.«
Katja zuckte misstrauisch die Achseln. Sie konnte sich ihre Aufgabe und Rolle bei der geplanten Aktion absolut nicht vorstellen. Improvisieren . . . Was sollte sie über einen völlig unbekannten Menschen sagen, auf den sie vielleicht nur einen flüchtigen Blick werfen konnte?
21
Nikitas Bemerkung über das Improvisieren ließ Katja keine Ruhe. Die ganze Nacht tat sie kein Auge zu und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Nicht die finsteren Geheimnisse des »Roten Mohn« beunruhigten sie, nicht die mysteriösen Morde, auch nicht die Schachzüge der geplanten Operation. Nein, die Frage, die ihr den Schlaf raubte, war viel subtiler: Wenn wirklich alles auf die Schnelle improvisiert werden musste, was sollte sie in so einem Fall anziehen?
Krawtschenko schlief noch wie ein Murmeltier, als Katja um halb fünf Uhr morgens, von Überlegungen und Zweifeln zermürbt, leise aus dem Ehebett schlüpfte, auf Zehenspitzen zum Schrank schlich, eine Sporttasche herauszog und dann in tiefster Finsternis ihre Garderobe durchmusterte.
Die Idee, die ihr gekommen war, war so einfach wie genial: Sie musste nur so viele Sachen wie möglich mitnehmen, um dann abhängig von der Situation das
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