Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
vielleicht genauso einsam war wie ich.
    »Stell dir
vor, seine Frau hat ihn verlassen, und jetzt hat er nur noch seinen kleinen
Hund«, hatte ich Bernadette erzählt, als ich sie am Sonntagnachmittag anrief.
Ich lag auf meinem Sofa und hatte Millers Buch in der Hand.
    »Nein, chérie! Das ist ja der Ball der einsamen Herzen! Er wurde verlassen, du wurdest
verlassen. Er liebt die französische Küche, du liebst die französische Küche.
Und er hat über dein Restaurant geschrieben und vielleicht sogar über dich. Da
kann ich doch nur sagen: Bon appetit!« witzelte sie. »Hat er sich denn
schon bei dir gemeldet, dein trauriger Engländer?«
    »Also
wirklich, Bernadette«, entgegnete ich und stopfte mir ein Kissen in den Nacken.
»Erstens ist er nicht mein Engländer, zweitens finde ich all diese Zufälle sehr bemerkenswert, und drittens kann er meinen Brief noch gar nicht
bekommen haben.« Ich mußte wieder an das etwas seltsame Gespräch denken, das
ich vor ein paar Tagen in der Editions Opale geführt hatte. »Ich kann nur
hoffen, daß dieser komische bärtige Mann meinen Brief auch wirklich abschickt.«
    Mit »dieser
komische bärtige Mann« war Monsieur Chabanais gemeint, der mir im nachhinein
immer weniger vertrauenerweckend vorkam.
    Bernadette
lachte. »Du machst dir viel zu viele Gedanken, Aurelie! Nenn mir einen Grund,
warum er deinen Brief zurückhalten sollte.«
    Ich studierte
nachdenklich das Ölbild vom Baikalsee, das an der gegenüberliegenden Wand hing
und das mein Vater auf seiner abenteuerlichen Reise mit der Transsibirischen
Eisenbahn in Ulan Bator vor vielen Jahren einem russischen Maler abgekauft
hatte. Es war ein heiteres, friedliches Bild, das ich immer wieder gerne ansah.
Am Ufer schaukelte ein alter Kahn auf dem Wasser, dahinter erstreckte sich der
See. Er war ganz klar, lag ruhig da, in eine frühsommerliche Moorlandschaft
eingebettet, und leuchtete mir mit seinem unergründlichen Blau entgegen. »Man
sollte es nicht denken«, hatte mein Vater gesagt. »Es ist einer der tiefsten
Seen Europas.«
    »Ich weiß
nicht«, entgegnete ich und ließ meinen Blick über die spiegelnde
Wasseroberfläche des Sees gleiten, auf der Licht und Schatten miteinander
spielten. »Es ist nur so ein Gefühl. Vielleicht ist er eifersüchtig und will
seinen heiligen Autor vor allen anderen Menschen abschirmen. Oder auch nur vor
mir.«
    »Ach, Aurélie
- was redest du da! Du bist eine alte Verschwörungstheoretikerin. «
    Ich setzte
mich auf. »Bin ich nicht. Dieser Mann war merkwürdig. Erst gebärdet er
sich am Telefon wie ein Zerberus. Und dann, als ich ihn später im Verlag
angesprochen habe, hat er mich angestarrt wie ein Geistesgestörter. Er hat
zuerst gar nicht reagiert auf meine Fragen, immer nur weiter gestarrt, so als
ob er nicht alle Tassen im Schrank hätte.«
    Bernadette
schnalzte ungeduldig mit der Zunge. »Vielleicht war er einfach nur überrascht.
Oder er hatte einen harten Tag. Meine Güte, Aurélie, was erwartest du?
Er kennt dich doch überhaupt nicht. Du quatschst ihn am Telefon zu. Dann kommst
du ohne jede Vorwarnung abends in den Verlag, überfällst den armen Mann, der
gerade nach Hause gehen will, und fragst nach einem Brief, der für ihn
irgendein Brief von irgendeiner überdrehten Autogrammjägerin ist, die sich
ziemlich wichtig nimmt. Also, ich finde es erstaunlich, daß er dich nicht vor
die Tür gesetzt hat. Stell dir mal vor, jeder Leser käme in den Verlag
gestürmt, um sich persönlich davon zu überzeugen, daß seine Post auch an
diverse Autoren weitergeschickt wird. Ich für meinen Teil hasse es, wenn
Eltern plötzlich unangemeldet im Türrahmen stehen und nach der Schule mit mir
ausdiskutieren wollen, warum ihr wunderbares Kind eine Strafarbeit machen
soll.«
    Ich mußte
lachen. »Schon gut, schon gut. Trotzdem bin ich froh, daß ich selbst mit diesem
Lektor sprechen konnte.«
    »Das kannst du
auch. Immerhin hat Monsieur Zerberus sich am Ende doch noch ganz nett mit dir
unterhalten.«
    »Nur um mir
klarzumachen, daß der Autor sich sowieso nicht bei mir melden wird, weil er
menschenscheu und verbittert in seinem Cottage sitzt und keine Zeit für solche
Scherze hat«, warf ich ein.
    »Und er will
dir sogar Bescheid geben, wenn Robert Miller nach Paris kommt«, fuhr Bernadette
unbeeindruckt fort. »Was willst du eigentlich mehr, Mademoiselle
Ich-krieg-den-Hals-nicht-voll?«
    Ja, was wollte
ich mehr?
    Ich wollte
mehr über diesen Engländer herausfinden, der so sympathisch aussah und so

Weitere Kostenlose Bücher