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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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all dem Regen?«
    Ich nickte.
Ja, es war schön. Die Sonne schien und das Leben steckte wieder voller Überraschungen.
    Und so kam es,
daß ich am Donnerstagmittag mit einer skurrilen alten Dame, die geradewegs aus
einem Fellini-Film entsprungen zu sein schien, auf dem Pere Lachaise in der
Sonne stand und eine Zigarette paffte. Um uns herum herrschte heitere Stille,
und ich hatte das Gefühl, daß wir die einzigen Menschen auf dem riesigen
Friedhof waren.
    In der Ferne
ragte die Muse Euterpe auf, Sinnbild des Frohsinns, die so lange schon über
Frédéric Chopins Grab wacht. Am Fuße des steinernen Grabmals standen viele
Töpfe mit Blumen, Rosensträuße waren in das Gitter gesteckt. Ich ließ den Blick
schweifen. Einige Gräber waren noch von Allerheiligen geschmückt, über andere
war die Zeit hinweggegangen, die Natur hatte sich ihr Terrain zurückerobert,
und Unkraut und wilde Pflanzen überwucherten die steinernen Einfassungen. Hier
waren die Toten vergessen. Es waren nicht wenige.
    »Ich habe Sie
beobachtet«, sagte die alte Dame und blinzelte mich aus ihren wissenden braunen
Augen an, die von hundert kleinen Fältchen umgeben waren. »Sie sahen aus, als
hätten Sie eben an etwas sehr Schönes gedacht.«
    Ich nahm einen
Zug aus der Zigarette. »Das habe ich auch«, entgegnete ich und lächelte. »Ich
habe an morgen gedacht. Morgen abend gehe ich in die Coupole, wissen
Sie?«
    »So ein
Zufall«, sagte die alte Dame und wackelte erfreut mit dem Kopf. »In der Coupole bin ich morgen auch. Ich feiere meinen fünfundachtzigsten Geburtstag,
Kindchen. Ich liebe die Coupole - ich bin jedes Jahr an meinem Geburtstag
dort. Ich esse immer die Austern, die sind sehr gut.«
    Plötzlich sah
ich die Fellini-Dame im Kreis ihrer Kinder und Enkelkinder, wie sie sich an einem
langen Tisch in der Brasserie feiern ließ.
    »Na, dann
wünsche ich Ihnen schon jetzt eine schöne Feier«, sagte ich.
    Sie schüttelte
bedauernd den Kopf. »Nun, es wird eine kleine Feier diesmal«, sagte sie. »Sehr klein, um ehrlich zu sein. Nur ich und die Kellner, aber die sind immer
ganz reizend.« Sie lächelte selig. »Meine Güte, was haben wir schon gefeiert in
der Coupole. Rauschende Feste. Henry, mein Mann, dirigierte an der Oper,
wissen Sie? Und nach den Premieren ist der Champagner nur so geflossen, am Ende
waren wir alle so herrlich betrunken.« Sie kicherte. »Ja, das ist lange her ...
Und George kommt immer erst an Weihnachten mit den Kindern nach Paris. Er lebt
in Südamerika ...« - ich nahm an, daß George ihr Sohn war - »Eh bien, und
seit mein alter Freund Auguste gegangen ist«, sie unterbrach sich und blickte
bedauernd zu dem Grabstein hinüber, hinter dem die Gießkanne fehlte, »ist
leider keiner mehr da, der mit mir feiert.«
    »Oh«, sagte
ich. »Das tut mir leid.«
    »Aber das muß
Ihnen doch nicht leid tun, Kindchen, so ist nun mal das Leben. Jeder hat seine
Zeit. Manchmal liege ich abends im Bett und zähle alle meine Toten durch.«
    Sie sah mich
verschwörerisch an und senkte ihre Stimme. »Es sind schon siebenunddreißig.« Sie nahm einen letzten Zug aus ihrer Zigarette und warf den Stummel achtlos
zu Boden. »Na, und ich bin immer noch da, was sagt man dazu? Und soll ich Ihnen
mal was sagen, Kindchen? Ich genieße jeden gottverdammten Tag. Meine Mutter ist
hundertzwei geworden und war fröhlich bis zum Schluß.«
    »Beeindruckend«,
sagte ich.
    Sie streckte
mir energisch ihre kleine Hand entgegen, die in einem schwarzen Lederhandschuh
steckte. »Elisabeth Dinsmore«, sagte sie. »Aber Sie dürfen ruhig Liz zu mir sagen.«
    Ich ließ den
Rest meiner Zigarette fallen und schüttelte ihr die Hand.
    »Aurélie
Bredin«, stellte ich mich vor. »Wissen Sie was, Liz? Sie sind der erste Mensch,
den ich auf einem Friedhof kennenlerne.«
    »Oh, ich habe
schon viele Bekanntschaften auf dem Friedhof geschlossen«, versicherte mir Mrs.
Dinsmore und verzog den roten Mund zu einem breiten Lächeln. »Sind nicht die
schlechtesten gewesen.«
    »Dinsmore ...
das klingt nicht sehr französisch«, sagte ich. Mir war vorher schon
aufgefallen, daß die Aussprache der alten Dame eine leichte Färbung hatte, die
ich jedoch ihrem Alter zugeschrieben hatte.
    »Ist es auch
nicht«, gab Mrs. Dinsmore zurück. »Ich bin Amerikanerin. Aber ich lebe schon
seit Ewigkeiten in Paris. Und Sie, Kindchen? Was machen Sie in der Coupole?« fragte sie übergangslos.
    »Oh, ich ...«,
entgegnete ich und merkte, wie ich rot wurde. »Ich treffe mich dort mit ...

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