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Das Lächeln der Kriegerin

Das Lächeln der Kriegerin

Titel: Das Lächeln der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pilipp Bobrowski
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Gesicht des Boten zu erkennen. Er rief ihren Namen, schrie ihn in den Wind. Lothiel hörte die Angst in seiner Stimme, sah die Furcht in seinen Augen.
    Die Reiter folgten ihm nicht. Sie verfolgten ihn. Schreckliches Kriegsgeschrei drang unter ihren Masken hervor.
    »Flieh!«, brüllte Rochon.
    Doch sie wollte nicht. Sie lief ihm entgegen, suchte nach ihrem Bogen, fand sich unbewaffnet. Nackt … Sie fühlte sich nackt.
    »Ich habe einen Mantel für dich.« Die Stimme hinter ihr beruhigte Lothiel. Sie drehte sich um. Einen Augenblick sah sie in alte, gutmütige Augen. Dann wurde es dunkel.
    Am nächsten Vormittag erreichte sie endlich das Ende des Waldes und den Weg, der nach Westen in Richtung des Bhalflusses führte. Der Weg war schmal, doch sie kam jetzt schneller voran. Den Wald zu ihrer Rechten, zur Linken weite Wiesen hätte sie die Last ihrer Aufgabe vergessen können, wäre sie nicht so drückend gewesen.
    Zwei Tage war sie unterwegs. Die Träume verfolgten sie in den Nächten, doch auf Carrochs Rücken gelang es ihr jeden Morgen besser, ihnen zu entkommen. Am Morgen des dritten Tages erreichte sie erschöpft ein kleines Dorf. Etwa zehn Höfe drängten sich innerhalb einer niedrigen Umzäunung an der Straße. Vielleicht könnte sie sich schon hier von ihrer Aufgabe trennen und zu Rochon und ihren Eltern zurückkehren. Lothiel ließ sich zum Dorfältesten führen. Der Mann namens Unwan reagierte sehr verängstigt, als sie ihm von den Ereignissen berichtete. Er behauptete, es gäbe niemanden im Dorf, der ein Pferd besäße, um damit nach Iden oder gar zur Königsstadt zu reiten. Außerdem müsse man im Dorf zunächst beraten, wie man das eigene Leben am besten schützen könne. Es sei nicht Sache der Bauern, sich um den Schutz des Landes zu kümmern.
    »Aber Ihr müsst doch auch an Laindor denken!«, rief Lothiel. »Was nützt es Euch, wenn Ihr jetzt Euer Leben schützt, während das Land in die Hände Naurhirs fällt?«
    »Vergiss nicht, mein Kind: Kein Landesherr, wer immer es auch ist, wird ohne die Bauern auskommen.«
    Lothiel starrte den Mann einen Moment an, unfähig zu antworten. Dann sagte sie: »Ich hoffe für Euch, dass sich auch Naurhir und seine Krieger frühzeitig daran erinnern. In Waldruh sah es nicht danach aus.«
    Unwan zuckte zusammen. Dann jedoch hellte sich sein Gesicht auf. »Sagtest du nicht, das Heer rücke auf der Oststraße vor? Es wird sich nicht damit aufhalten, die Gegend nach kleinen Dörfern wie unserem abzusuchen. Ich werde einen Mann in den Süden zum Gutshof unseres Herrn schicken. Er wird uns schützen und wissen, was zu tun ist.«
     
    Lothiel ritt weiter. Sie war verärgert. Die Reaktion Unwans war ihr unverständlich. Sie hatte die Furcht in seinen Augen gesehen, die Furcht vor den feindlichen Horden und die vor dem Namen Naurhir. Dennoch fiel dem Mann nichts Wichtigeres ein, als sich im Notfall bei seinem Freiherrn zu verstecken. Der würde ihn nicht schützen können, wenn sogar die Grenzfeste gefallen war. Woher nahm der Mann seine falschen Hoffnungen? Immerhin wollte er seinem Herrn über die Situation berichten lassen. Sie musste hoffen, dass der sich klüger verhielte und seinem Fürsten und vielleicht sogar der Königin Botschaft sendete. Aber wer konnte wissen, wie viele Tage bis dahin vergingen? Und Iden war so auch nicht geholfen. Der Dorfälteste hatte ihr gesagt, es sei zu Pferd nur noch wenig mehr als ein Tag, bis sie die Handelssiedlung erreichen würde.
     

IDEN
     
    Lothiel ritt bis zum Abend mit wenigen Pausen und begegnete niemandem mehr. Das ebene Land wurde zunehmend hügeliger. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und ihr unendlich lang vorgekommen. Mit jeder Stunde wuchs ihre Sorge, sie könne Iden nicht rechtzeitig erreichen.
    Am anderen Morgen aß Lothiel wieder nur wenig. Noch bevor die Sonne sich zeigte, saß sie wieder auf und trieb Carroch ihrem Ziel entgegen. Bald schon erreichte sie die Straße, die sich mit einem leichten Anstieg entlang des Bhal nach Iden schlängelte. Vater hatte ihr erzählt, dass der Fluss bis Iden schiffbar sei und auf ihm Waren aus dem Süden heraufgebracht, während andere aus dem Norden in Iden verladen und in südliche Landesteile oder darüber hinaus verschifft würden. Lothiel hatte noch nie ein Schiff gesehen. In dieser Frühe lag der Fluss still und breit vor ihr. Auch auf der Bhalstraße konnte sie noch keine Reisenden entdecken. Der Weg, auf dem sie gekommen war, überquerte die Straße und führte zu einer

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