Das Lächeln der Kriegerin
ließ Rochon das Thema ruhen.
Am Abend des vierten Tages kamen sie nach Enteri. In einem weiten Bogen umzingelten sie den kleinen Ort, doch noch bevor der Kreis ganz geschlossen war, ergaben sich ihnen die etwa zweihundert feindlichen Krieger, die man hier zurückgelassen hatte. Sie wurden zusammengetrieben, entwaffnet und unter Bewachung in das Haus der Bräuche gesperrt, das der größte und sicherste Bau der Stadt war.
Auch Enteri war von seinen ursprünglichen Bewohnern verlassen. Vermutlich waren sie geflohen, nachdem Lothiel vor mehr als drei Wochen die Botschaft vom heranziehenden Feind gebracht hatte.
Das Heer blieb über Nacht in dem Städtchen, während Magor mit anderen Kundschaftern vorausritt, um zu sehen, wie es um Arminas stand. Denn die Königsstadt war nur noch wenig mehr als einen Tagesritt entfernt und spätestens dann konnten sie jederzeit auf die Hauptmacht des Feindes treffen.
Beim Aufbruch am nächsten Morgen war die Anspannung deutlich zu spüren. Nun ging es nicht mehr darum, eine kleine Stadt zurückzugewinnen. Es galt, gegen eine Streitmacht von vielen tausend Kriegern anzutreten, um die Hauptstadt des Landes zu verteidigen. Ab Mittag erhielt das Heer den Befehl, jeden unnötigen Laut zu vermeiden. Kurz darauf kehrten die ersten Kundschafter zurück. Magor war unter ihnen und so konnte er seine Gefährten über die Lage um Arminas unterrichten.
»Es wird eine harte Schlacht und ich wage ihren Ausgang nicht vorauszusehen. Naurhir hat der Königin wenig Zeit gelassen. Nun steht er mit weit mehr als zwanzigtausend Kriegern vor den Toren Arminas’ und nur der Fluss trennt ihn noch von seinem Ziel. Aber Araniel hatte mehr Zeit, als Naurhir erwartete, und sie hat sie schlau genutzt. Denn der Feuermeister hoffte, bereits einen Ring von fünftausend seiner Mannen vorzufinden. Das war es auch, was ihm bis zuletzt die Boten berichteten. Doch es waren nicht seine Männer, die unter den Masken steckten, und seine Vorhut gab es längst nicht mehr. Als sie den Belagerungsring geschlossen hatte, geriet sie, wie von Araniel geplant, zwischen die Verteidiger auf den Mauern und die stetig wachsende Zahl heranrückender Truppen aus den umliegenden Fürstentümern. Es blieben nur wenige, die sich ergaben und in die Gefangenschaft gingen. Araniel aber bereitete eine Falle für die Hauptmacht des Feindes, der verwandt, in die bereits die Vorhut geraten war. So findet sich nun auch Naurhir eingeschlossen. Auf der anderen Seite des Pann warten die Schützen auf den Wehrgängen der Stadt und hinter neu errichteten Wehrmauern am Flussufer auf den Befehl der Königin. Hinter ihm, gedeckt durch den Wald, versperren ihm die herangeeilten Vasallenheere den Weg. Sie werden geführt vom Hochfürsten Dagnir, dem Istyar zur Seite steht. Sie gaben uns den Befehl, die Streitmacht zu stellen, die den Weg über die Oststraße verschließt.«
»Aber das klingt ja viel hoffnungsvoller, als ich zu hoffen gewagt hätte«, rief Selldur aus. »Der Feind ist bereits umzingelt?«
»Täusche dich nicht«, antwortete Magor. »Es scheint, als stünden die Kräfte der Königin in den besseren Positionen. Doch sie müssen einen großen Bereich absichern und sehen sich einer gewaltigen Übermacht gegenüber. Das königliche Heer ist noch immer nicht stark genug, das Maskenheer direkt anzugreifen, und Naurhir kann weiter die Stadt belagern. Noch hofft er, seinem Ziel nahe zu sein, doch wenn er es vorzieht, seine Stellung aufzugeben und einen Ausbruch aus der Umzingelung zu befehlen, um sich an anderer Stelle neu zu formieren, wird es kaum irgendwo gelingen, ihn aufzuhalten. Unsere Hoffnung ist die Zeit, denn mit ihr wächst unsere Streitmacht, Tag für Tag. Andererseits schwindet die Hoffnung, wenn die Stadt noch vor der Zeit fällt und in die gierigen Hände des Feindes gelangt.«
Selldur antwortete nicht, doch ihm war die Enttäuschung deutlich anzusehen.
Magor wandte sich Lothiel zu und übergab ihr ein leichtes Kettenhemd. »Sundan gab mir dies für dich. Er ließ in Enteri nach einem passenden suchen. Er sagte, Bogen und Schwert allein machten noch keine Kriegerin aus. So sei es sicherer, dass er dir eines Tages deine großen Taten danken könne.«
Lothiel hatte sich die Schlacht um die Königsstadt ganz anders vorgestellt. Drei Tage hielten sie nun die Stellung. Weder rückten sie vor, noch mussten sie sich eines Angriffs der Fremdländer erwehren. Dort, wo die Oststraße den Wald verließ, um sich auf direktem
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