Das Lächeln der Kriegerin
ihnen entgegen. Der Anführer versperrte ihnen den Weg und betrachtete sie lange, bevor er sie ansprach.
»Woher kommt ihr?«
Lothiel zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Dann wart ihr in der Schlacht?« Sein Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an.
Lothiel nickte.
»Habt ihr auf eurem Weg Feinde gesehen, die noch am Leben sind?«
Lothiel schüttelte den Kopf.
Der Mann schaute sie noch einen Moment misstrauisch an, dann gab er seinen Reitern einen Befehl und sie preschten an den beiden vorbei. Hinter der Brücke schwenkten sie nach Norden.
»Sie suchen nur nach überlebenden Fremdländern«, stellte Selldur fest.
Lothiel nickte.
Das Tor war stark bewacht, doch niemand hielt sie auf. Die meisten waffenfähigen Männer, die sich noch in Arminas aufhielten, schienen sich auf den Wehrgängen zu befinden. In den Straßen der Stadt begegneten ihnen nur selten Männer der Wache.
Lothiel wunderte sich, wie viele Menschen trotz des Krieges in Arminas verweilten. Bald aber verstand sie, dass es neben Alten, Frauen und Kindern aus Arminas zu einem großen Teil Bauern aus den umliegenden Dörfern waren, die sich hinter den Mauern in Sicherheit gebracht hatten.
Vor allem den Zurückgebliebenen standen die Sorgen ins Gesicht geschrieben. Diejenigen, die eine hatten, gingen stumm ihrer Beschäftigung nach. Frauen liefen mit gesenkten Köpfen durch die Gassen, trugen Körbe und Krüge oder hatten Kinder auf dem Arm. Nur aus vereinzelten Werkstätten klang das traurige Klopfen und Klappern der Arbeitsgeräte und auf dem großen Markt, auf dem viele der Leute vom Land ihr Lager aufgeschlagen hatten, bot nur eine Hand voll Händler ihre Waren feil.
Doch es gab auch die, die offen ihrer Freude Ausdruck verliehen, dass der Feind von der Stadt ferngehalten und vertrieben worden war. Und aus manch einem Wirtshaus hörte man trunkene Siegesgesänge.
Lothiel spuckte aus. »Der Krieg ist noch nicht vorbei. Ihre Königin, das ganze Heer zieht noch immer in den Kampf. Keiner kann sagen, wie er ausgehen wird. Und sie feiern und trinken, als sei nur ihr eigenes Leben wichtig.«
»Für manch einen ist es das höchste Gut auf Erden«, antwortete Selldur. »Was werden wir jetzt tun?«
»Wir bleiben einige Tage hier, dann sehen wir weiter. Wir suchen uns eine Unterkunft. Vielleicht findest du Hinweise auf deine Familie.«
»Ja.« Selldur klatschte in die Hände. »Sicher hast du recht und sie sind auch in die Stadt gekommen.«
Sie bekamen ein gemütliches Zimmer im »Stillen Krug«, einem versteckten kleinen Gasthaus in der Nähe des Marktes. Selldur plagte der Hunger und als sich beide ausgiebig gewaschen hatten, bat er Lothiel darum, mit ihm in die Schankstube hinunterzugehen. Eine Gruppe Bauern hatte zwei Tische zusammengerückt und unterhielt sich lautstark. Auch der Wirt, ein schmächtiger Mann mit einer roten Nase im freundlichen Gesicht, der auf den Namen Sogo hörte, gesellte sich wieder zu ihnen, nachdem er Lothiel und Selldur Suppe, Brot und Bier gebracht und sich mehrfach erkundigt hatte, ob damit auch wirklich alles zu ihrem Wohl getan sei.
Die Suppe tat gut. Dennoch wunderte sich Lothiel über die Hingabe, mit der sich Selldur seinem Teller und seinem Bierkrug widmete. Sie hielt beim Essen inne und betrachtete ihren Freund. »Bist du denn nicht aufgeregt, wenn du an ein mögliches Wiedersehen mit deiner Fami lie denkst?«
Selldur schaute kurz auf. »Doch.« Er nahm einem tiefen Zug aus dem Krug und löffelte weiter. »Aber ich sehnte mich auch nach etwas Warmem und einem kühlen Bier. Sicher wird ein Familientreffen mit vollem Magen umso schöner.«
Beneidenswert. Lothiel lächelte. Sie versuchte, sich ebenfalls auf ihre Suppe zu konzentrieren. Doch es wollte ihr nicht ganz gelingen. Mit einem Ohr lauschte sie dem Gespräch der Bauern hinter ihrem Rücken.
»Es heißt, wenn die Kundschafter in der Umgebung keinen lebenden Fremdländer mehr sichten, sollen wir auf unsere Höfe zurückkehren.«
»Gut so. Ich war lang genug fort von daheim. In der Stadt ist es mir auf Dauer zu eng.«
»Mir wäre es lieber zu warten, bis das Heer die Feinde ganz aus dem Land getrieben hat. Wer weiß, was noch kommt?«
»Was soll kommen? Wir hatten lange keinen großen Krieg. Doch mein Großvater sagte stets: ›Wer auch immer die Schlacht gewinnt, am Ende zahlen die Bauern.‹ Ich habe kein großes Glück mit meinem Herrn. Was kümmert es mich, ob er lebend zurückkehrt? Selbst ein Fremdländer kann nicht
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