Das Lächeln der Kriegerin
viel schlimmer sein.«
»Es heißt, sie quälen die Männer, vergewaltigen die Frauen und schlachten die Kinder. Sie morden, brennen und verschleppen das Vieh. Sie sehen in dem grausamen Zauberer ihren Meister. Er hat ihnen die Herzen aus dem Leib gerissen. Sie folgen ihm bedingungslos und unter ihren Masken verbergen sich noch weit schrecklichere Fratzen, denn sie sind keine Menschen mehr und weit bösartiger als die schlimmsten Bestien.«
Von Selldur war ein zufriedener Seufzer zu hören, der anzeigte, dass er seine Mahlzeit beendet hatte. Lothiel ließ ihren Holzlöffel in den noch halb vollen Teller fallen. »Lass uns gehen!«, sagte sie laut. »Ich kann das dumme Geschwätz nicht mehr hören!«
Von Sogo erfuhren sie, dass sich die Bauern, die sich nach Arminas zurückgezogen hatten, über die ganze Stadt verteilten. Die, die nicht bei Verwandten untergekommen waren, lagerten auf dem Markt und den anderen Plätzen oder hatten in den vielen Gasthäusern Unterschlupf gefunden. Lothiel und Selldur suchten zunächst auf dem Markt. Erfolglos. Daraufhin fragten sie in allen Wirtshäusern, die sie in der Nähe des Marktes finden konnten. Im dritten schienen sie endlich Glück zu haben, denn der Wirt beherbergte einen Mann namens Arton mit seiner Familie, doch als er sein Aussehen beschrieb, winkte Selldur enttäuscht ab. »Das ist nicht mein Vater. Wie sollen wir sie in dieser riesigen Stadt nur finden?«
Lothiel legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir haben doch gerade erst mit der Suche begonnen. Du solltest nicht jetzt schon aufgeben.« Insgeheim machte sie sich kaum mehr Hoffnung als ihr Freund. Sie würden heute nicht viel mehr als die unmittelbare Umgebung des Marktes durchforsten können. Und so groß er auch war, machte er doch nur einen geringen Teil des gesamten Stadtgebiets aus. Lothiel hielt es zwar für wahrscheinlich, doch sie konnten auch nicht sicher sein, ob sich die Gesuchten überhaupt in Arminas aufhielten.
Am Abend kehrten sie müde zum »Stillen Krug« zurück. In den nächsten Tagen erging es ihnen nicht besser. Erstaunlicherweise entwickelte Selldur mit jedem Tag mehr Ehrgeiz, während Lothiel längst die Hoffnung auf Erfolg aufgegeben hatte. Doch sie zeigte es ihrem Freund nicht, sprach ihm stattdessen Mut zu. So war sie wenigstens beschäftigt. Sie erfreute sich an der Schönheit der weiten Plätze und vieler mächtiger Gebäude, die einen Gegensatz zur beklemmenden Enge und dem Schmutz in anderen Teilen der Stadt darstellte, und staunte über das bunte Treiben, das ihre früheren Eindrücke aus der Grenzfeste noch in den Schatten stellte. Als sie das erste Mal nach Arminas gekommen war, hatte sie dafür keinen Sinn gehabt. Doch auch jetzt war da ein Gefühl der Unruhe, das sie sich nicht recht erklären konnte.
Am dritten Tag bemerkten sie, wie die ersten Bauernfamilien die Stadt verließen, um auf ihre Höfe zurückzukehren. Von da an verstärkte Selldur seine Anstrengungen noch, er vergaß dabei fast, für sein eigenes leibliches Wohl zu sorgen. Lothiel hatte nicht selten Mühe, ihm in den Gassen und auf den Plätzen zu folgen. Sie näherten sich bei ihrer Suche immer weiter dem großen Tor im Osten, durch das sie die Stadt bei ihrer Ankunft betreten hatten, und nach weiteren drei Tagen wurde selbst Selldur klar, dass seine Familie, sollte sie je in Arminas Zuflucht gesucht haben, die Stadt längst mit dem anwachsenden Strom, der sich nun täglich aus den Toren ergoss, heimgereist sein konnte.
Als sie die zunehmende Enttäuschung in Selldurs Gesicht wahrnahm, schlug Lothiel vor, er solle sich in den nächsten Tagen am Tor postieren, während sie die Suche im westli chen Teil der Stadt fortsetzte. Doch auch das führte zu nichts. Weitere zwei Tage später hockten sie am Abend im »Stillen Krug« und Selldur ließ die Schultern hängen.
»Sicher sind sie schon auf ihrem Hof«, tröstete Lothiel. »Wir sollten morgen die Stadt verlassen und ihnen folgen.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, antwortete Selldur niedergeschlagen. Nach einer Pause setzte er hinzu: »Ich danke dir für die Mühe, die du dir mit mir gibst.«
Sie verließen den »Stillen Krug« am frühen Morgen. Sogar Bleih schien hocherfreut, endlich den engen Stall verlassen zu können. Lothiel wäre gern des Öfteren ausgeritten, doch die Suche des Freundes hatte sie davon abgehalten. Immerhin hatte sie die Pferde täglich besucht und wusste daher, dass sie von dem freundlichen Sogo gut versorgt worden
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