Das Lächeln der toten Augen
mir?«
»Ich möchte mit Ihnen über Simon Halbermann sprechen.«
Trevisan kratzte sich am Kinn. »Presse?«
»Nein, ich bin Pfarrer«, antwortete der Fremde.
»Tut mir wirklich leid, aber zurzeit …«
»Ich warte«, fiel ihm Lesch ins Wort.
»Es kann aber dauern.«
»Schon gut, ich habe Zeit«, antwortete Lesch und setzte sich auf einen der beiden gepolsterten Stühle im Flur. Trevisan zuckte die Schulter und machte sich auf den Weg in den dritten Stock.
Noch bevor er das Büro von Anke Schulte-Westerbeck erreicht hatte, wurde er schon von Beck mit vorwurfsvoller Miene in Empfang genommen.
»Mensch, Martin, was treibst du nur?«, flüsterte er. »Ausgerechnet, wenn ich für alles verantwortlich bin. Du bist weit über das Ziel hinausgeschossen und nun darf ich alles ausbaden.«
»Wovon sprichst du?«, fragte Trevisan.
»Norderney, deine Ermittlungen. Es liegt eine Beschwerde aus dem Innenministerium vor. Das ist doch wohl genug.«
»Ich verstehe nicht, was das soll.«
Wie ein Ankläger baute sich Beck vor Trevisan auf. »Bei Halbermann habe ich dich schon gewarnt, aber da hattest du Glück. Die gestohlenen Kunstwerke haben dir deinen Arsch gerettet. Aber jetzt hast du dich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Behrends ist ein mächtiger Mann. Er ist der Vorsitzende im Kontrollausschuss und hat einflussreiche Freunde. Er gilt als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Staatssekretärs. Der lässt sich nicht einfach alles gefallen. Er hat eine Anfrage gestartet, wofür wir unser Budget verwenden, und außerdem hat er …«
»Das werde ich Herrn Trevisan selbst erklären«, erklang die Stimme von Anke Schulte-Westerbeck in Becks Rücken. Unbemerkt von den beiden hatte sie ihre Bürotür geöffnet.
Beck fuhr erschrocken herum. »Ich wollte nur …«
Abwehrend hob die Polizeidirektorin ihre Hand. »Schon gut. Herr Trevisan, gehen Sie schon mal rein und nehmen Sie Platz. Herr Beck, ich werde das selbst regeln. Sie hatten ja genug Zeit dazu.« Die Missbilligung in ihren Worten war nicht zu überhören.
Trevisan nahm vor ihrem Schreibtisch Platz und harrte der Dinge, die da auf ihn zukommen sollten.
Anke Schulte-Westerbeck schritt wortlos vorüber und setzte sich. Eine dicke Postmappe lag vor ihr.
»Da kommt man nach ein paar Wochen zurück ins Büro und findet einen Haufen unerledigter Arbeit vor«, sagte sie beiläufig. »Erlasse über neue Dienstvereinbarungen, neue Leitfäden für den Eigenschutz, innerdienstliche Anweisungen über den Gebrauch des Internets als Kommunikationssystem, Instruktionen für die Neueinstufung von Privatgesprächen mit Dienstapparaten und Arbeitsblätter für die Ausbildung unserer jungen Kollegen im praktischen Jahr. Ich bin es gewohnt, dass Beck das meiste einfach liegen lässt. Ich erwarte es eigentlich auch gar nicht anders. Aber richtig erfreut ist man, wenn unter dem ganzen Stapel von blödsinnigen Papieren auch noch eine Anfrage des Ministeriums über gestiegene Ermittlungskosten liest. Noch dazu, wenn diese Anfrage mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde über einen meiner Mitarbeiter verbunden ist. Trevisan, was ist da los?«
Trevisan richtete sich auf. Haarklein erzählte er der Direktorin von seinen Ermittlungen, vom Selbstmord Sven Halbermanns, vom anschließenden Tod des jungen Mike Landers, von der Durchsuchung bei Halbermann und dem Fund der gestohlenen Gemälde und des Kopfes. Von Vesna Glasic, von Elbers und Kranewitt und von seinem furchtbaren Verdacht im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Au-pair-Mädchen. Trevisan ließ nichts aus. Auch von seinen Besuchen bei dem Abgeordneten Behrends erzählte er. Anke Schulte-Westerbeck hörte geduldig zu. Ab und zu stellte sie eine Zwischenfrage, damit sie sich ein umfassendes Bild machen konnte. Als Trevisan endete, lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück.
»Gut, haben Sie bei der Sache auf Norderney die Kollegen aus Norden verständigt?«
Trevisan blickte die Direktorin mit großen Augen an. »Es ist unser Fall.«
»Sie hätten sich dort wenigstens melden können.«
»Ich habe es vergessen«, erwiderte Trevisan.
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«
Trevisan strich sich nachdenklich über die Stirn. »Ich weiß, dass der Schlüssel zur Lösung des Falles in Dänemark liegt. Irgendwo in der Gegend um Esbjerg. Aber wo genau, das weiß ich nicht.«
Die Direktorin zuckte mit der Schulter. »Es würde ja nichts bringen, wenn Sie nach Dänemark fahren. Sie können dort nicht alles auf den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher