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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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um. Sie war alleine. Zweifellos war dies hier eine Art Scheune, in der Heu und Gras gelagert wurde. Sie versuchte sich zu erheben und bemerkte, dass sie gefesselt war. Gefesselt an Händen und Beinen. Eine Decke war um sie geschlungen. Außer einem T-Shirt und ihrem Slip trug sie nichts weiter als einen einzigen Strumpf an ihrem linken Fuß. Den anderen hatte sie offenbar verloren.
    Sie lauschte in die Düsternis. Sie hörte Geräusche, aber sie konnte sie nicht zuordnen. Sie waren zu dumpf, um ihre Bedeutung zu erkennen. „Wo war sie nur? Was war passiert? Sie überlegte fieberhaft. Durch ihren Kopf waberte es wie Nebelschwaden, die ihre Erinnerung zudeckten. Nur ab und zu gab eine kleine Lücke ein einzelnes Fragment frei. Sie erinnerte sich an eine Autofahrt, an Motorenlärm und an einen Schrei, den Schrei von Nikolas.
    Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie dachte an ihren Vater. Sie wollte ihn umarmen, sich an ihn schmiegen. Seine schützenden Hände auf ihren Schultern fühlen. Doch sie konnte sich nicht bewegen. Die Fesseln schnitten in ihre Haut.

41
    Die Einsatzbesprechung dauerte beinahe den gesamten Nachmittag. Trevisan verlor am späten Nachmittag den Kampf gegen seine Müdigkeit und schlief ein. Kommissarin Holt, die neben ihm saß, stieß ihn an, als der Commissioner das Wort an ihn richtete.
    »Herrn Trevisan und seine Kollegen von der deutschen Polizei steht es natürlich frei, sich unserem Team anzuschließen. Als Beobachter, versteht sich.«
    Trevisan nickte.
    »Wir werden selbstverständlich alles unternehmen, dass Ihrer Tochter kein Leid widerfährt«, schob der Commissioner nach.
    Insgesamt waren an dem Einsatz an allen vier Orten über dreihundert Polizeibeamte beteiligt. Neben zwei Hubschraubern des militärischen Rettungsdienstes und zwei Notarztwagen hatte Lund noch mehrere Boote der Küstenwache angefordert.
    »Gut, dann ist alles besprochen«, sagte Lund. »Wichtig ist, dass wir an allen Orten zeitgleich zuschlagen, damit sie sich gegenseitig nicht warnen können. Wir müssen mit bewaffnetem Widerstand rechnen. Also, meine Damen, meine Herren, machen Sie Ihre Abteilungen einsatzklar!«
    Langsam löste sich die Versammlung auf.
    »Sie müssen entschuldigen«, sagte Trevisan zu der Kommissarin. »Ich habe seit über vierundzwanzig Stunden nicht mehr richtig geschlafen.«
    Kommissarin Lund lächelte mitfühlend. »Dann haben Sie noch drei Stunden Zeit, die sollten Sie nutzen. Wir müssen heute Abend hellwach sein. Wir treffen uns hier um acht Uhr. Folgen Sie mir, es gibt hier ein kleines Zimmer, wo Sie sich niederlegen können.«
    Trevisan warf ihr einen dankbaren Blick zu.
    Um Punkt acht Uhr hatten sich vierzig Polizeibeamte im Saal versammelt. Uniformierte Polizisten, Polizisten in Zivil, zwei Hundeführer und eine Gruppe der Spezialeinheit in schwarzen Overalls, ausgestattet mit Schutzwesten und schweren Maschinenpistolen. Im Raum roch es nach Schweiß, nach Waffenöl und nach Rauch.
    Trevisan hatten die Stunden der Erholung gut getan. Er hatte zuerst nicht einschlafen können und an Paula gedacht, aber schließlich hatte die Müdigkeit wieder gesiegt.
    Er dachte über Lunds Worte nach. Beobachterstatus, schön. Aber nur, solange alles in den richtigen Bahnen verlief. Schließlich ging es um seine Tochter und er würde nicht zuschauen, wenn sie in Gefahr geriet.
    Lund stand an der Stirnseite des Tisches. Mittlerweile war eine große Karte von der Insel Mandø an der Tafel aufgehängt worden. Bilder vom Einsatzort wurden von Hand zu Hand gereicht. Trevisan warf neugierige Blicke auf die Fotos. Das Gehöft lag in der Nähe des westlichen Strandes im Südteil der kleinen Insel. Es bestand aus drei Gebäuden und war von einem hohen Zaun umgeben. Es gab nur einen einzigen Weg, der in das Areal mündete. Ein großes Tor verwehrte Fremden die Zufahrt. Eine Art Wache, eine kleine hölzerne Hütte, stand rechts des Tores. Dort war auch ständig ein Wachmann im Einsatz. Entlang des Zaunes hatte man Lichtmasten mit starken Scheinwerfern errichtet, um das ausgedehnte Grundstück auch nachts überwachen zu können. Für Trevisan hatte das Areal den Anschein einer militärischen Anlage.
    Der Zufahrtsweg führte zum Hauptgebäude, das sich in geradliniger Verlängerung zum Weg befand, ein einstöckiges Holzhaus, in L-Form erbaut und mit einer Terrasse an der Rückfront ausgestattet. Das lang gestreckte Gebäude, das links des Weges stand und aus dicken Holzbohlen errichtet worden war, diente offenbar als

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