Das Lächeln der toten Augen
der Vogelschutzgruppe in Esbjerg die schmale Schotterpiste auf dem Damm befuhren – unzählige Schlaglöcher und Unebenheiten rüttelten das Fahrzeug durch. Sie fuhren im Schritttempo, mehr ließ die Fahrbahn nicht zu. Die Rettungswagen blieben in sicherer Entfernung zurück.
»Schotter und Sand, so sieht es auch auf Mandø aus«, sagte die Kommissarin. »Was tun Sie, wenn Ihre Tochter in Gefahr gerät?«, wechselte sie das Thema.
Trevisan warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Lund hat gesagt, ich soll ein bisschen auf Sie aufpassen«, erklärte sie. »Da würde ich gerne wissen, was auf mich zukommt.«
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht.«
»Sie wissen, dass Sie eigentlich gar nicht an diesem Einsatz teilnehmen dürften?«
»Das ist mir klar, und ich bin dankbar dafür, dass ich dennoch dabei sein darf.«
Die Kommissarin lächelte. »Oh, dankbar brauchen Sie nicht zu sein. Lund rechnet fest damit, dass Sie den Einsatz nicht gefährden. Im Gegenteil, er ist sogar der Meinung, dass Sie uns sehr nützlich sein könnten. Sie kennen diesen Habermann und hatten schon mit ihm zu tun.«
»Halbermann«, stellte Trevisan richtig.
»Wie?«
»Der Kerl heißt Halbermann.«
»Schön, ist ja auch egal«, sagte die Kommissarin. »Ich hoffe zumindest, dass es nicht zu einer wilden Schießerei ausartet. Das hieße, es gäbe Opfer auf beiden Seiten.«
Trevisan griff zu seiner Pistole. »Ich hoffe ebenfalls nicht, dass wir schießen müssen. Das können Sie mir glauben.«
»Vielleicht liegt es an Ihnen, das zu verhindern«, bekam er zur Antwort.
Sie erreichten die Insel und fuhren auf die kleine Siedlung im Südwesten zu. Nach ein paar Minuten stoppten die drei Fahrzeuge.
»So, jetzt gehen wir den Rest des Weges zu Fuß«, sagte Kommissarin Holt und stieg aus.
»Frau Holt«, flüsterte Trevisan. »Ich … sollte ich … ich meine, wenn es hart auf hart kommt, sorgen Sie bitte dafür, dass meine Tochter …«
»Ich verstehe«, antwortete die Kommissarin. »Ich heiße Kareen.«
»Martin«, entgegnete Trevisan.
Die kleine Gruppe wandte sich nach Süden. Es war nicht einfach, in der Dunkelheit durch den tiefen Sand zu stapfen. Ein paarmal geriet einer von ihnen ins Straucheln. Auch Kareen Holt stürzte, Trevisan half ihr wieder auf. Schließlich stiegen sie auf eine steil ansteigende Düne. Sie maß wohl an die sechs Meter, schätze Trevisan. Immer wieder rutschten sie zurück. Sand füllte ihre Stiefel. Trevisan war schweißgebadet, als er oben ankam. Er ließ sich in den feuchten Sand fallen und schaute zum Himmel. Noch lag eine Wolkendecke über dem Horizont. Trevisan hoffte, dass es auch so bleiben würde. Langsam schob er sich an die Kante der Düne heran.
»Vorsichtig«, flüsterte Lund, der neben ihm lag. »Drüben geht es mindestens genauso steil wieder hinunter.«
Trevisan war vorsichtig und krallte seine Hände in den Strandhafer. Dann hatte er den höchsten Punkt des sandigen und unsteten Berges erreicht. Er schaute hinunter in das kleine Dünental, wo in der gleißenden Helligkeit der Strahler das Hauptquartier der Söhne Uthers lag. Es sah genauso aus wie auf den Fotos. Nur stand vor dem Gebäude hinter dem Schafsgatter ein kleiner, roter Geländewagen mit eingeschalteten Scheinwerfern. Mehrere Männer umringten den Wagen. Über ihren Schultern hingen Gewehre. Trevisan fragte sich, ob Jan Simac wohl recht behalten sollte. Spürten sie wirklich, dass der Bote des Steins gekommen war?
42
Der Wind strich über ihre schweißgebadeten Gesichter. Im Tal zwischen den Dünen herrschte trügerische Ruhe. Noch immer stand der kleine Geländewagen mit eingeschaltetem Licht vor der Scheune. Trevisan schaute auf seine Uhr. Noch fünf Minuten, dann würde hier die Hölle losbrechen. Er musste alles daran setzen, um seine Tochter aus den Klauen des leibhaftigen Teufels zu befreien.
Er nestelte an seinem Rucksack und zog das Nachtsichtgerät hervor. Kareen Holt hatte ihm die Funktionsweise erklärt. Er musste es einfach nur aufsetzen wie eine Brille und einschalten, dann würde er auch bei absoluter Dunkelheit zumindest noch die grünlichen Umrisse seiner Widersacher erkennen.
Insgesamt hatte er bislang acht Männer gezählt, alle bewaffnet. Eine Schießerei schien unvermeidlich.
Unaufhaltsam rückten die Zeiger seiner Uhr voran. Der Armbanduhr, wegen der er vor nicht einmal zwei Wochen Nikolas Ricken des Diebstahls verdächtigt hatte und die Paula zu einem
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