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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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seinem Sohn das Leben geschenkt, hatte ihn in die Gemeinschaft eingeführt, um später einmal den vorgezeichneten Weg weiterzugehen und das Begonnene zu Ende zu führen. Was hatte Sven für ihn getan? Er hatte sich immer weiter von ihm entfernt, bis er schließlich am Ende sogar gegen ihn rebellierte. Gegen ihn, gegen seinen eigenen Vater.
    Simon Halbermann erhob sich. Seine Frau lag noch immer unter dem Einfluss starker Beruhigungsmittel im Bett. Sie hatte der Tod von Sven schwer getroffen. Doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. In zwei Tagen würde Sven beerdigt werden, dann wäre dieses Kapitel abgeschlossen. So hoffte er.
    Erneut griff er nach dem Brief. Aus Zeitungen ausgeschnittene Buchstaben, unbeholfen aneinandergereiht und aufgeklebt. Doch der Sinn dieser Botschaft war eindeutig. Er sollte bezahlen. Eine Million. In den nächsten Tagen würde er weitere Anweisungen bekommen. Ansonsten würde er die Konsequenzen tragen müssen. Polizeiliche Ermittlungen waren das Letzte, was er jetzt brauchen konnte.
    Simon Halbermann dachte an den aufdringlichen Polizisten, der ihm am Sonntagmorgen die Nachricht vom Tod seines Sohnes überbracht hatte. Ein höchst unangenehmer und unnachgiebiger Mensch. Wenngleich er auch anfänglich distinguiert, fast wie ein Pfarrer gewirkt hatte, als er in seinem dunklen Anzug vor der Tür gestanden hatte, so hatten seine zudringlichen Fragen am Ende deutlich gezeigt, dass dieser Kommissar gewohnt war, den Dingen auf den Grund zu gehen.
    Simon Halbermann wusste, dass er sich auch nicht den Hauch eines Skandals leisten konnte. Dieser Polizeikommissar würde seine Schwächen erkennen und zu seinem Vorteil nutzen. Er dachte dabei nicht an sich, er dachte an seine Frau, die den Tod des Sohnes nur schwer verkraften konnte. Schon der leise Verdacht konnte ihm und der Sache schaden.
    Frau Jonas hatte am Morgen den Briefkasten geleert. Neben zahlreichen Kondolenzschreiben und den üblichen Geschäftsbriefen hatte dieser blaue Umschlag darin gelegen. Er war nicht durch die Post zugestellt worden. Der Erpresser musste ihn selbst überbracht haben. Er musste unbedingt mit ihr sprechen.
    *
    Als Trevisan gegen neun Uhr den ersten Stock der Inspektion betrat, wurde er bereits von Monika Sander erwartet.
    »Wo bleibst du denn? Hast du die Beförderung von Alex vergessen?«, empfing sie ihn vorwurfsvoll.
    Zum Teufel, ja, er hatte die Beförderung vergessen. Das Telex war letzten Donnerstag gekommen. Heute Morgen um acht Uhr hätte er zusammen mit Alex bei der Polizeidirektorin erscheinen sollen. Inzwischen war so viel passiert, dass er nicht mehr daran gedacht hatte.
    »Komm ins Besprechungszimmer, wir trinken gerade ein Gläschen Sekt«, sagte sie und ging an ihm vorüber.
    Trevisan betrat sein Büro, hängte seine schwarze Jacke an den Kleiderhaken und atmete erst einmal durch. Ihm war nicht zum Feiern zumute. Aber er wollte nicht unhöflich sein. Schließlich hatte er Alex schon heute Morgen versetzt.
    Er warf einen Blick in den Spiegel über dem Waschbecken. Seine widerspenstigen Haare hingen ihm ins Gesicht. Er drehte den Wasserhahn auf und gab seiner Frisur den letzten Schliff, ehe er den Weg ins Besprechungszimmer antrat.
    »Ah, Trevisan, da bist du ja endlich«, wurde er von Kriminaloberrat Beck begrüßt. »Bist wohl heute nicht rechtzeitig aus den Federn gekommen. Ich meine, wenn schon jemand aus deiner Abteilung befördert wird, dann sollte der Chef doch zumindest anwesend sein, oder?«
    »Entschuldigung, ich hatte Ärger zu Hause«, murmelte Trevisan und ging auf Alex zu, der mit einem Glas Sekt in der Hand am Fenster stand und ihm einen neugierigen Blick zuwarf.
    Trevisan reichte ihm die Hand und gratulierte. »Entschuldige, dass ich den Termin verschnappt habe, aber ich hatte …«
    »Ist schon okay. Monika hat dich vertreten«, entgegnete Alex, während er ein neues Sektglas einschenkte und es Trevisan reichte. »Übrigens, vielen Dank, dass du mir am Wochenende aus der Patsche geholfen hast, aber ich konnte wirklich …«
    »Schon gut«, antwortete Trevisan und prostete Alex zu. »Also dann, auf deinen Oberkommissar.«
    »Alex hat es verdient«, sagte Dietmar Petermann, der in seinem bunten Hawaii-Hemd und der gelben Hose etwas deplatziert wirkte. Zustimmendes Gemurmel breitete sich im Zimmer aus.
    Trevisan nippte an seinem Glas. Alkohol zu dieser Uhrzeit tat ihm nicht gut, das wusste er.

6
    »Es gibt keine andere Möglichkeit, ich werde es nicht dulden.« Der weißhaarige Mann

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