Das Lächeln der toten Augen
durch die Terrassentür.
Das Haus war geschmackvoll eingerichtet. Ein teurer Palisanderschrank und eine gediegene Ledercouch standen in dem geräumigen Zimmer. Auch der Teppich dürfte mehr als ihr kleiner Wagen gekostet haben, den sie sich zu Beginn des Frühjahrs angeschafft hatte, um ein klein wenig unabhängiger von ihrem Mann zu sein.
»Hallo, ist etwas passiert?«, rief sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Das Hämmern wurde schier unerträglich. Sie ging ins Treppenhaus und blickte nach oben.
Sie sah den Schatten oberhalb des Geländers nur aus den Augenwinkeln. Doch dieser Moment genügte. Ihr schriller Schrei übertönte sogar das stetige Hämmern.
*
»Du kannst mir glauben, ich kann gut darauf verzichten«, sagte Martin Trevisan und nippte an seinem Pils. Dann blickte er auf die Uhr. Es war kurz nach zehn und die Morgensonne verbreitete bereits ihre drückende Hitze im Raum.
»Paula ist jetzt in einem schwierigen Alter«, antwortete Peter Koch und griff mit einem Lächeln zu seinem Mineralwasser. »Bei Mira ist es nicht viel anders. Wenn ich abends nach Hause komme, ist auch ständig was los. Mira ist manchmal so gereizt, dass ich nicht ein Wort zu sagen brauche und schon stecken wir mitten im größten Krach. – Prost!«
»Spielen wir noch eine Runde?«, fragte Trevisan.
Peter nickte, trank sein Glas leer und stellte es geräuschvoll zurück auf den Tresen.
»Und was machst du dann?«
»Was meinst du?«
»Ich meine, wenn du mit Mira …«
»Ach so«, fiel ihm Peter ins Wort, »ich sage dann immer, das ist die Pubertät, da kann man nichts machen, das ist einfach so. Fünfzehn ist ein schwieriges Alter.«
Trevisan nickte.
Peter erhob sich, nahm seinen Squashschläger in die Hand und blickte Trevisan herausfordernd an. »Diesmal gewinne ich, alter Mann«, sagte er mit einem Lächeln.
Seit einem halben Jahr spielte Trevisan mit Peter Koch Squash im Fitnesscenter am Arsenalhafen. Peter war Stationsarzt im Nieter-Krankenhaus. Sie hatten sich im Fitnesscenter kennengelernt. Er war vier Jahre jünger als Trevisan, aber sie verstanden sich prima. Seit etwa drei Monaten trafen sie sich regelmäßig jeden Samstag, vorausgesetzt, ihre Arbeit ließ es zu.
Vor sechs Monaten, als Trevisan nach dem Duschen nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Badezimmer gekommen war, hatte Angela im Beisein von Paula seinen leichten Bauchansatz bemängelt. Er selbst hatte dieses kleine Polster, das sich hämisch über seinen Gürtel wölbte, längst bemerkt.
»Das ist das Alter und die mangelnde Bewegung«, hatte Angela gesagt.
Bewegung? Wie denn, wenn man den ganzen Tag im Büro herumsaß oder an irgendeinem Tatort herumstöberte, wie sollte man sich da angemessen bewegen? Und am Abend war man froh, wenn man zu Hause einen bequemen Sessel vorfand.
Aber sie hatten nicht lockergelassen. Zuerst hatte er es mit Joggen versucht. Doch meist kam er nicht weit, ehe er von einem leichten Trab in einen behäbigen Schritt verfiel. Regen, der Wind und dann auch noch der Schweiß, der ihm nach kurzer Zeit in Bächen über die Stirne rann, verdarben ihm schnell die Freude an der sportlichen Betätigung. Schließlich hatte er sich für das Fitnessstudio entschieden. Paula hatte ihn dazu genötigt und er war gegangen. Zögernd am Anfang, mit Unbehagen, er hasste die Muckibuden, in denen geistige Dünnbrettbohrer meinten, sie könnten um jeden Zentimeter wetteifern. Aber schließlich hatte er erste Erfolge festgestellt. Seine Hosen passten wieder und er fühlte sich einfach besser, gesünder, wacher und auch ein klein wenig ausgeglichener.
Dort war er dann auf Peter Koch getroffen, der einen Squash-Partner suchte. Er verstand sich sofort mit ihm, sie lagen auf einer Wellenlänge. Seit dieser Zeit verbrachte er die Samstagvormittage in kurzen weißen Hosen und Turnschuhen im Glaskäfig der Sporthalle.
Gemeinsam verließen sie die sonnendurchflutete Bar, die zum Studio gehörte, und betraten die Halle. Noch bevor der erste Ball auf den Boden krachte, klingelte ein Handy. Trevisan hatte gerade zum Schlag ausgeholt. Er verfehlte den Ball und fluchte laut.
»Verdammt, kann man denn nicht einmal …«
»Ich glaube, das ist für mich.« Peter Koch ging zu seiner Sporttasche. Er griff nach seinem Handy und meldete sich. Trevisan atmete auf. Paula war bei einer Freundin und Angela auf einer Auslandsreise. Er wusste genau, dass ein Anruf während des Samstagvormittags nichts Gutes zu bedeuten hätte. Niemand anderes als die
Weitere Kostenlose Bücher