Das Lächeln der toten Augen
brauchte sie einfach nur Zeit. Dennoch dachte er mit Grauen an die bevorstehenden Ferientage. Er würde sie nicht überwachen können.
Gegen Mittag hatte er in der Dienststelle angerufen. Er hatte ganz vergessen, dass Tina und Till noch immer mit der Überwachung der drei Jugendlichen beschäftigt waren. Doch die beiden hatten ihr Problem bereits selbst in den Griff bekommen. Inzwischen hatten Kollegen des Streifendienstes die Aufgabe übernommen. Dennoch rief Trevisan Tina und Till an, um sich für seine Nachlässigkeit zu entschuldigen. Mit Sicherheit lag es an seinem Ärger mit Paula, da war es kein Wunder, dass andere wichtige Dinge auf der Strecke blieben.
Am Nachmittag sah sich Trevisan die Live-Übertragung des Formel-I-Rennens an, bis er sich schließlich auf die Terrasse zurückzog und in seinem Buch weiterlas. Irgendwann gegen Abend hörte er, dass sich Paula in der Küche zu schaffen machte, doch ehe er sich erhob, war sie schon wieder verschwunden. Wie lange würde sie dieses Spiel durchhalten? Trevisan dachte an Grit. Bei seiner Exfrau hatten solchen Phasen wochenlang angehalten. Und Paula hatte verdammt viel von Grit abbekommen.
*
Montag, kurz nach acht Uhr. Trevisan hatte sich mit seinem Team im Besprechungszimmer eingefunden. Er war müde und griesgrämig. In der Nacht zuvor hatte er vor lauter Ärger wieder keinen Schlaf gefunden.
Die Luft im Konferenzzimmer war erfüllt von würzigem Kaffeearoma. Monika Sander stand vor der Kaffeemaschine und schenkte sich eine Tasse ein. »Willst du auch?«, fragte sie.
Trevisan nickte dankbar.
Dietmar Petermann hatte an der Stirnseite des langen Konferenztisches Platz genommen. Ein Schnellhefter lag vor ihm. Sein grotesker Kopfverband war inzwischen einem großflächigen Pflaster gewichen.
Till Schreier saß neben Trevisan und blätterte in der Morgenzeitung, während Tina Harloff ein Marmeladenbrötchen aß.
Die Tür wurde geöffnet und Horst Kleinschmidt betrat den Raum. Eine kalte Pfeife steckte in seinem Mundwinkel. »Entschuldigt, ich wurde noch aufgehalten.« Er nahm neben Trevisan Platz.
»Schon gut, ist ja noch Zeit«, erwiderte Trevisan. »Also, Dietmar, was hast du alles über Halbermann herausgefunden?«
»Moment«, unterbrach Horst Kleinschmidt. »Ich weiß ehrlich gesagt noch gar nicht, was sich bei euren Ermittlungen ergeben hat. Vielleicht gibst du mir erst einmal einen Überblick.«
Trevisan griff in das Kuvert, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag und reichte Horst Kleinschmidt das Bild des vermeintlich toten Mädchens. Während Kleinschmidt es betrachtete, erzählte ihm Trevisan von der plötzlichen Wendung im Fall Mike Landers. Nachdem Trevisan seinen Bericht geendet hatte, saß Kleinschmidt noch immer auf seinem Stuhl und hielt das Bild in seinen Händen.
»Was meinst du, ist das Mädchen auf dem Bild tot?«, fragte Trevisan.
Kleinschmidt schob seine Brille auf der Nasenspitze hin und her. »Wenn du so fragst … Sie wirkt irgendwie entspannt und glücklich. Abgesehen von den eher leblosen und geöffneten Augen könnte sie auch schlafen. Dagegen sprechen die Mundwinkel. Die ganze Gesichtsmuskulatur scheint erschlafft. Es spricht einiges für eine Überdosis an Barbituraten. Ich habe ähnliche Bilder von Selbstmördern in meinem Archiv.«
»Das ist auch meine Meinung«, erwiderte Trevisan. »Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen müssen wir davon ausgehen, dass Mike Landers und Sven Halbermann nicht die einzigen Opfer in diesem Fall sind. Wir müssen herausfinden, wo das Mädchen abgeblieben ist, woher sie genau stammt und welches Au-pair-Institut für die Vermittlung verantwortlich war. Die Verwicklung von Simon Halbermann ist offensichtlich.«
»Deswegen die Durchsuchung«, folgerte Kleinschmidt. »Ich fragte mich schon, nach was wir überhaupt suchen.«
Trevisan nickte. »Wir brauchen Verbindungen, Hinweise auf Komplizen, Hintergründe. Ich bin Halbermann begegnet, ich glaube nicht, dass er sich kooperativ verhalten wird.«
Dietmar Petermann räusperte sich. »Wusstet ihr eigentlich, dass Halbermann seinen Sohn in Dänemark beerdigt hat? Dort verbringt er sowieso mehr als die Hälfte des Jahres. Übrigens war er schon nicht mehr hier, als Mike Landers zu Tode stürzte.«
»Ich gehe davon aus, dass er der Drahtzieher in der Sache ist«, sagte Trevisan. »Er ist ein Typ, der selbst keine Hand anlegt. Was hast du in der kurzen Zeit über ihn in Erfahrung gebracht?«
Dietmar griff nach seinem Dossier und schlug die erste
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