Das Lächeln der toten Augen
nicht.«
Trevisan schüttelte den Kopf und nahm die Frau beiseite. »Wir müssen jetzt und heute das Haus durchsuchen«, sagte er in einfühlsamen Ton. »Eine richterliche Anordnung, Sie verstehen?«
Die Frau nickte und schaute auf die Polizisten, die an ihr vorbeigingen und das Haus betraten. »Was ist denn überhaupt passiert?«
Trevisan nahm ihren Arm und führte sie in das Haus. »Kennen Sie eine Maria Souza da Marques?«
Die Frau schaute Trevisan verständnislos an. »Maria? Ist ihr etwas zugestoßen?«
»Das frage ich Sie«, entgegnete Trevisan. »Wissen Sie, wo das Mädchen geblieben ist?«
»Sie ist zurück nach Rio«, behauptete die Frau bestimmt.
Noch immer standen sie im Flur. Die Augen der Frau folgten den Beamten, die jeweils zu zweit in verschiedenen Zimmern verschwanden.
»Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«, fragte Trevisan.
Die Frau nickte und führte ihn in die Küche. Die Schränke und der Fußboden blitzten vor Sauberkeit. Die Einrichtung ließ keine Wünsche übrig. Ein moderner Backofen, eine Spülmaschine, eine Mikrowelle. Es fehlte an nichts. Trevisan wartete, bis sich die Frau auf einen Küchenstuhl gesetzt hatte, dann nahm er auf der Eckbank Platz.
»Sind Sie sicher, dass Maria nach Rio zurückgekehrt ist?«, hakte Trevisan noch einmal nach.
Die Frau runzelte die Stirn. »Was heißt sicher. Zumindest hat es Frau Halbermann erzählt. Maria war auf einmal nicht mehr da.«
Trevisan lächelte. »Können Sie sich noch erinnern, unter welchen Umständen das Mädchen verschwand?«
Die Frau überlegte. »Ach, wissen Sie, ich arbeite seit vier Jahren für die Halbermanns«, begann sie zu erzählen, und es erschien Trevisan fast, als ob sie darüber froh war, endlich mit jemanden reden zu können. »Meist vormittags. Ich koche und halte die Wohnung sauber. Mein Mann ist vor ein paar Jahren gestorben. Er war Fischer. Sie können sich wohl vorstellen, mit welch karger Rente ich auskommen muss. Da war diese Anstellung hier ein echter Glücksfall für mich.«
Trevisan nickte verständnisvoll.
»Herr Halbermann ist oft auf Reisen. Auch die arme Frau muss ihn hin und wieder begleiten. Auch wenn ihr nicht danach ist. Ich glaube sogar, sie hasst diese Reisen nach Dänemark.«
Trevisan horchte auf, doch er unterließ Zwischenfragen, um den Erzählfluss nicht zu stoppen. Die Frau sollte sich zuerst einmal alles von der Seele reden, was sie bedrückte. Er machte sich Notizen.
»Simon Halbermann ist schon ein sonderbarer Mensch«, erzählte Frau Jonas weiter. »Er ist ein echter Pascha. Die Frau und der Sohn hatten nicht viel zu melden. Alle mussten nach seiner Pfeife tanzen. Eines Tages kam Maria ins Haus. Es müsste jetzt ungefähr zwei Jahre her sein. Frau Halbermann war zu dieser Zeit oft alleine. Ich glaube, genau deshalb hat Simon Halbermann das Mädchen hier hergeholt. Sie stammte aus den Armengebieten in Rio. Sie sprach kaum Deutsch, aber der Sven konnte Spanisch und Portugiesisch.«
»Wissen Sie, unter welchen Umständen Maria nach Deutschland kam?«, fragte Trevisan.
»Als Au-pair-Mädchen«, antwortete Frau Jonas. »Ich weiß aber nichts Näheres. Simon Halbermann redet nicht viel mit mir. Überhaupt waren die Frau und der arme Sven die Einzigen, die mit mir ab und zu sprachen. Ich glaube, Halbermann hat seiner Frau verboten, allzu viel Kontakt mit mir zu haben. Er hält sich wohl für etwas Besseres. Und die arme Frau ist ihm ja so hörig. Manchmal glaube ich, sie hat überhaupt keinen eigenen Willen.«
»Warum sind Sie dann überhaupt geblieben?«
Frau Jonas’ Erzählung geriet ins Stocken.
Trevisan bemerkte, wie es in ihrem Gehirn arbeitete.
»Sie können es mir ruhig erzählen. Wenn es nichts mit unseren Ermittlungen zu tun hat, dann bleibt es unter uns«, ermunterte er die Frau.
»Na ja, wie soll ich sagen«, begann sie zögernd. »Er bezahlt mich fürstlich. Es gab auch hier und da mal eine großzügige Sonderzuwendung. Wissen Sie, eine alte Frau wie ich hat es in der heutigen Zeit nicht einfach. Alles wird teurer.«
Trevisan verstand.
»Aber dafür musste ich ihm versprechen, dass ich nichts aus dem Hause hinaustrug. Er bat mich nicht nur darum, es klang eigentlich für mich schon eher nach einer Drohung.«
»Was hat er so oft in Dänemark gemacht?«
»Er hat sich dort mit Gleichgesinnten getroffen«, antwortete Frau Jonas. »Ich weiß auch nicht genau, aber er gehört zu so einem Verein. Da geht es um Brauchtum und Kultur. Ich dachte mir nichts dabei.
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