Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
ich nehm ein Glas Cider. Sieht aus, als würde das ein langer Tag.»
«Verflucht noch mal!», sagte Eirion. «Du Arsch.»
Irgendwie hatte Jane erwartet, dass er sich seit dem Vorabend beruhigt hätte, aber offensichtlich setzte seine walisische Vorsicht, auf die man sich sonst immer verlassen konnte, diesmal aus. Ob die Tatsache, dass er mit ihr ausging, womöglich eine schwere Gefährdung seines psychischen Gleichgewichts darstellte?
Jane sah ein, dass J. D. Fynehams häusliches Arbeitszimmer, das im oberen Stockwerk eines sehr großen Hauses lag, starke Gefühle auslöste – Neid, Lust, solche Reaktionen –, und zwar besonders bei den Männchen der Spezies.
Der Raum war mit Punktstrahlern ausgeleuchtet, und es war ein leises Summen zu hören. Bei dem meisten Zeug in dem Zimmer war Jane die Funktion unklar. Es gab drei Computer, die auf exklusiven, nierenförmigen Arbeitstischen standen, einer davon offenbar ein Evesham, mehrere Drucker und Scanner und andere Geräte, die nach Hightech aussahen, was vermutlich auf … Desktop-Publishing hinwies, vermutete sie mal.
Aber im großen Maßstab.
«Hier könnte man …» Eirion schien Atemprobleme zu haben. «Hier könnte man ja die ganze
Vogue
produzieren.»
«Macht sich aber bezahlt, dieses Equipment», sagte J. D. Fyneham.
Er trug ein dunkellila Rugby-Shirt und eine schwarze Hose, die nach Schlangenleder aussah.
«Mehr musst du nicht wissen», sagte er. «Was wollt ihr überhaupt? Ich bin beschäftigt.»
«Offensichtlich», sagte Eirion verbittert.
«Wir waren gestern Abend einfach ziemlich besoffen, okay?»
«Es geht nicht um gestern Abend», sagte Eirion.
Jane war zu einem Tisch gegangen, auf dem ein Stapel großformatiger Hochglanzmagazine lag. Auf dem Titelblatt des zuoberst liegenden war das Bild eines Fachwerkdorfes zu sehen, das sie garantiert kannte. Neben der Zeitschrift lag ein Stapel Flyer.
«Geh da weg!», blaffte Fyneham, aber Jane hatte sich schon einen der Flyer genommen.
Möchten SIE aus Ihrem Gemeindeblatt ein gutgehendes Geschäft machen? Ein professionelles Druckerzeugnis, das jedes Gemeindemitglied kaufen möchte?
«Soso …»
«Das ist nicht verboten», sagte Fyneham trotzig.
«Jane?» Eirion kam zu ihr.
« JD ist der Typ hinter dem ‹Kirchturm›, Irene. Er bietet Pfarrern und Gemeinderäten an, aus ihrem Gemeindebrief so was wie ein Klatschblatt zu machen.»
«Ich biete an, denen die Grundlagen des Journalismus beizubringen», sagte Fyneham.
«‹Kirchturm› kenn ich gar nicht», sagte Eirion.
«Wahrscheinlich ist er noch nicht bis nach Wales vorgedrungen. Mom hat diesen Flyer auch bekommen, aber sie hat beschlossen, dass die Leute sich nicht für Nacktaufnahmen des Gemeinderats und die privaten Gewohnheiten des Kirchenvorstehers interessieren.»
«Mach dich ruhig darüber lustig», sagte Fyneham, «aber es haben schon sieben Gemeinden das Startpaket bestellt.»
«Und was kriegen sie dafür genau?», fragte Eirion.
«Die Grundlagen des Journalismus. Woran man eine gute Geschichte erkennt, wie man sie schreibt. Ich verbringe ein paar Wochenenden in der Gemeinde und helfe bei der ersten Ausgabe, und gegen Honorar produziere ich sie auch. Das ist eine endgeile Idee, Lewis, und es funktioniert. Wenn ein Gemeindeblatt halbwegs vernünftig aussieht, schalten die Geschäfte eher Anzeigen, und die Gemeinde kann dafür mehr verlangen. Und auf die Art und Weise können sie das Geld für den neuen Kirchturm zusammenkriegen, ehe die restliche Kirche zusammenkracht.»
Jane sah sich gezwungen zuzugeben, dass das Konzept nicht
so
schlecht war.
«Und das machst du ganz allein?»
«Bis jetzt, aber wahrscheinlich kann ich bald ein paar Jungs aus der Medienforschungsgruppe auf Teilzeitbasis einstellen. Lewis interessiert das ja sicher nicht …»
«Und die ganze Ausrüstung gehört deinem Vater?», sagte Eirion. «Der produziert doch Hochglanzmagazine, oder?»
«Nee, das ist nur Überschuss. Er hat seinen Betrieb mit ein paar Angestellten unten in der Stadt.» Fyneham zuckte mit den Schultern. «Wir helfen uns gegenseitig aus.»
An einer Pinnwand am Ende des langen Raumes hingen ein paar Zeitschriftencover:
Mikrolithen. Du und Deine DigiCam. Der klinische Therapeut. Lesegruppen International. Was der Stadtrat von Hereford für Sie tun kann
.
Nichts als Mist.
«Ehrlich gesagt, hasst mein Alter seinen Job», sagte Fyneham. «Er wär viel lieber richtiger Journalist, aber richtige Journalisten haben nicht so ’n
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