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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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nicht. Ich habe seitdem alles vermieden, was einer Wette auch nur ähnelt.»
    Merrily blieb stehen. «Wie ging es weiter?»
    «Ich bin natürlich weggerannt. Oder weggestolpert, das trifft es wohl eher. Als mir klarwurde, dass ich versuchte, mich im Gemäuer zu verkriechen wie ein in die Enge getriebenes Tier, habe ich … ein Gebet ausgestoßen, einen Hilfeschrei.
Gott, hilf!
Mehr nicht. Er sollte mir helfen, dass ich mich bewegen konnte. Und ich konnte mich bewegen. Jetzt lächeln Sie wahrscheinlich.»
    «Tue ich nicht, ehrlich, Chef.»
    «Ich mach es kurz. Es gibt zwei Möglichkeiten, aus dem Turm rauszukommen, und ich habe zuerst den falschen Weg genommen und kam an ein paar Stufen, die nirgendwohin führten, nur an eine Mauer. Und das war entsetzlich, als würde ich, egal wohin ich gehe, an eine Mauer stoßen, die noch nicht da war, als ich kam. In solchen Situationen wird die Phantasie so unglaublich mächtig. Also bin ich wieder in diese Kammer geklettert und … na ja … da hab ich sie gesehen. Ich habe sie verdammt noch mal gesehen.»
    «Was?»
    «Sie war – Sehen Sie mal …» Der Bischof hielt seine Hände unter das Licht einer Laterne. «Nach all den Jahren … ich zittere immer noch.»
    «Sie haben Marion gesehen?»
    «Meine Güte, ich wusste natürlich nicht, wer oder was es war, aber ich weiß noch, wie mir schrecklich bewusstwurde, dass etwas passieren würde, und zwar mit dem Moment, in dem ich die Kammer wieder betrat. Zum Teil wegen der Kälte – ja, ich weiß, das ist ein Klischee. Aber das war keine normale Kälte, keine gesunde Kälte – kein harter Wind oder klirrender Frost. Es war eine Negativität, eine Abwesenheit, eine Leere … ein Bereich, in dem Wärme nicht existieren konnte. Und ein normales Gebet auch nicht.»
    Bernie hielt sich an dem Laternenpfahl fest wie ein Betrunkener, Merrily fror inzwischen. Es war einer dieser Dachboden-Momente, wenn man eine alte Kiste öffnete und alte, zerschlissene Stoffe und Tücher fand.
    Die Geschichte des Bischofs. Sie fragte sich, wann er sie zuletzt jemandem erzählt hatte. Und sie fragte sich, warum er während all ihrer Diskussionen über das Wesen spiritueller Grenzfragen nicht einmal angedeutet hatte, dass er eigene Erfahrungen dieser Art gemacht hatte.
    «Sie … Es war … Als ich wieder in die Kammer kam, war da etwas Blasses. Ich sehe es jetzt vor mir, aber ich kann es immer noch nicht angemessen beschreiben – nur meine Reaktion auf etwas, das nur aus kalter Luft zu bestehen schien, und aus der Feuchtigkeit, die von den Steinen ausging. Ich sah nicht direkt ein Gesicht, aber ich spürte ein schreckliches Lächeln, oder eher die Abwesenheit eines Lächelns. Ein Lächeln, das so kalt war, so leer, so ohne jede Hoffnung … nur diese immerwährende, bittere … Endlichkeit.»
    Merrily führte die Zigarette zum Mund. Sie war ausgegangen. Sie suchte nach ihrem Feuerzeug, und als sie es aufflackern ließ, waren plötzlich überall Lichter – blitzende weiße und orangefarbene und blaue Lichter, die von den blassen Wänden und den dunklen Fenstern sprangen.

10  Gott aus dem Spiel lassen
    Vor der Ludford Bridge war die Straße bereits gesperrt, was erklärte, warum auf der Broad Street so wenig Verkehr war. Am Fuß des Hügels blitzten grelle Lichter: ein Krankenwagen, Polizeiautos, kreisendes Blaulicht, das die Leute anzog.
    «Sieht nach einem Unfall aus», sagte Bernie Dunmore. «Komisch, dass wir nichts gehört haben. Wir drehen wohl besser um. Das Letzte, was die brauchen können, ist –»
    «Andy.» Im Scheinwerferlicht eines stehenden Wagens sah Merrily eine untersetzte Gestalt über die Mauer klettern und auf den Fluss zulaufen. «Da unten, sehen Sie, bei den –»
    Zwei Polizisten verfolgten Mumford nah an dem glänzenden Band des Flusses.
    «Armer Kerl», sagte der Bischof. «Scheint für ihn kein Entkommen zu geben.»
    Aber Merrily rannte schon die Straße hinunter, und die Stimme in ihrer Brust hielt Takt mit ihren Schritten. Nein … nein … nein … nein …
     
    Sie brachten ihn zurück, ein Polizist schob ihn über die Mauer, zu dem anderen, und Andy rief: «Könnt ihr dummen Arschlöcher denn nicht mal zuhören?»
    Am Straßenrand stand noch ein dritter Polizist, der mit seiner Taschenlampe in ihre Richtung leuchtete.
    «Andy? Andy Mumford?»
    «Die sollen ihre Finger von mir lassen!»
    «Schon gut, Jungs», sagte der dritte Cop. «Wer hat’s dir gesagt?»
    «Ist ’ne kleine Stadt, Steve.» Mumford

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