Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
das ist keine Überraschung, alle kannten Robbie, alle Ladenbesitzer, die Cops. Aber der Geistertourentyp hatte eine Vereinbarung mit ihm. Er ist mit zu den Touren gekommen und hat den Leuten die Geschichte der einzelnen Häuser erzählt. Sehr praktisch für den Tourentyp. Die Leute mochten Robbie.»
«Und dabei hat er Mrs. Pepper kennengelernt?»
«Vermutlich. Ich dachte, ich fahre zu ihr, klingele und frage sie direkt. Aber dann war da nur dieses verschlossene Tor. Keine Klingel, keine Gegensprechanlage. Nur ein teurer Briefkasten. Also bin ich drübergeklettert.»
«War das klug?»
Mumford schnaubte. «Bin die Auffahrt hochgegangen und war vom Haus aus bestens zu sehen. Ist ein Bauernhaus, ziemlich alt, wie es scheint. Hab an die Haustür gehämmert. Nichts. Aber … sie war da. Nach dreißig Jahren bei der Polizei weiß man das einfach. Und sie … sie war da.»
«Haben Sie versucht anzurufen?»
«Steht nicht im Telefonbuch. Wäre vor ein paar Wochen kein Problem gewesen, aber …»
Merrily hatte den Eindruck, dass sich hier die Verbitterung vieler Jahre bemerkbar machte.
«Die Leute finden Kerzenstummel auf den Mauern und Baumstümpfen, wenn sie da war. Das geht schon seit Monaten so. Sogar ich hab die gesehen. Hängt mit ihrer verdammten Kerze vor dem Haus meiner Mutter rum. Warum bin ich ihr nicht hinterher?»
«Weil Sie keinen Grund dazu hatten. Weil es immer so jemanden gibt, wenn jemand in der Öffentlichkeit gestorben ist, wenn es eine große Beerdigung gibt – um Blumen abzulegen, Kerzen anzuzünden. So was sehe ich dauernd. Und sie hat doch geweint, oder?»
«Hat sie am Fluss auch geweint?»
«Nein», sagte Merrily nach einer kurzen Pause.
«Ich werde so einen Fehler nicht noch einmal machen», sagte Mumford grimmig.
Merrily schob die Mappe mit den Unterlagen für das
Ledwardine-Magazin
in die Schublade und zündete sich eine Zigarette an. Das konnte außer Kontrolle geraten. Nach dem Tod seiner Mutter – einem unnötigen Tod, einem zweiten öffentlichen Tod – würde Mumford nicht mehr aufhören.
Als das Telefon erneut klingelte, dachte sie, er riefe nochmal an, nachdem er sich beruhigt hatte, doch es war Bliss. Er klang entspannt, aber vielleicht auch nur im Vergleich zu Mumford.
«Erinnern Sie sich an Karen? Merrily?»
«Was? Sorry –»
«Alles in Ordnung?»
«Ja. Entschuldigung. Karen …?»
«Bauerntochter, ziemlich groß? Polizistin. Inzwischen Detective Constable. Nachdem Mumford weg war, habe ich mich sehr bemüht, Karen für unser Ermittlungsteam zu kriegen. Sie ist vom Land, kann richtig zupacken – ich komme mit diesen Jura-Absolventen ja nicht zurecht. Na, jedenfalls hat Karen heute einen Computer mitgebracht. Und der gehörte ursprünglich Jemmie Pegler. Jemima.»
«Ich dachte, das wäre nicht Ihr Fall.»
«Ja, na ja … nach Ihrem Anruf habe ich nochmal nachgedacht. Ich hasse es, wenn meine Kumpel hinter meinem Rücken reden. Und Karen ist, auch wenn sie Schweinemist an den Schuhen hat, unsere Computerexpertin – sie hat da einfach Talent, deshalb wurde sie zu einem Kurs geschickt, wie man Festplatten ausbaut und so. Also hat Shrewsbury angefragt, ob sie sich Jemmies Computer vornehmen könnte. Und da dachte ich, ich gucke ihr mal über die Schulter.»
«Schön, dass Sie wieder da sind, Frannie.»
«Ja, Sie haben mich da wirklich getroffen. Ich bin immer noch der letzte Rebell unter vierzig bei der Polizei. Und stolz drauf.»
«Also, was haben Sie gefunden?»
«Es ist beunruhigend.» Bliss klang allerdings keineswegs beunruhigt. «Die Festplatte ist voller Links, zum Beispiel zu diesen grässlichen Teenager-Selbstmord-Chats. Wollen Sie’s sehen?»
«Soll ich vorbeikommen, jetzt?»
«Warten Sie bis zum späten Nachmittag, dann hat DCI Howe ein Meeting mit so einem Wichser vom Innenministerium. Aber keinen Hundekragen, ja? Ich will nachher nicht wieder hören, dass ich immer noch mit gefährlichen Spinnern rede.»
16 Gleichgesinnte
An diesem Abend regnete es wieder. Heftig und unerbittlich, wie im Winter.
Zum ersten Mal seit ungefähr einer Woche hatte Merrily im Wohnzimmer des Pfarrhauses wieder ein Feuer gemacht. Sie saß da und beobachtete, wie Jane auf dem Kaminvorleger mit Ethel der Katze schmuste. Es gab an diesem Abend einiges, was einen zum Frösteln hätte bringen können, aber hier drinnen war es sehr gemütlich, solange man nicht aus dem Fenster sah.
«Warum wollen denn plötzlich alle über Selbstmord reden?», sagte
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