Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
für spirituelle Grenzfragen Bescheid gibt, oder soll ich das machen?»
    Der Bischof sah sie ausdruckslos an.
    «Das ist das Prozedere», sagte Merrily. «Alles, was zu einem Fall werden könnte, muss dem Beirat zur Beurteilung vorgelegt werden, ehe etwas unternommen wird.»
    «Wer hat das bestimmt?»
    «Der Beirat.»
    «Also, ich denke …» Der Bischof hörte auf, sich mit dem Stift in die Hand zu tippen, und schloss die Finger um den Stift. «Ich denke, wir sollten das als Präliminarie betrachten, als informelle Besprechung. Meinen Sie nicht?»
    «Wenn Sie das meinen, Bischof.»
    «Oh ja. Das meine ich.» Er legte den Stift behutsam auf den Schreibtisch. «Ihre Augen, Merrily … stimmt mit Ihren Augen etwas nicht, oder legen Sie es auf eine düstere Ausstrahlung an?»

21  Tradition
    Der Bürgermeister schloss seine schwere Haustür, und sie traten in eine hell getäfelte und von einem elektrischen Kronleuchter fast grell erleuchtete Diele. Durch Merrilys neue Brillengläser sah alles leuchtend orange und rosa aus, wie ein Rosengarten im Sonnenuntergang.
    «Das ist Hochwürden Mrs. Merrily Watkins», sagte der Bischof. «Merrily ist meine, äh, Beraterin für spirituelle Grenzfragen.»
    «Ah ja?» Der Bürgermeister schüttelte steif ihre Hand. Er trug einen mittelbraunen dreiteiligen Anzug mit Uhrenkette, und das sah man wirklich nicht mehr häufig. «Verstehe.»
    Offensichtlich verstand er überhaupt nichts. Und Bernie Dunmore erklärte auch nichts. Merrily hatte das Gefühl, dass er immer noch etwas verlegen war, sogar hier in Ludlow, weil er eine so mittelalterliche Tradition wie das Amt für spirituelle Grenzfragen aufrechterhielt.
    «Komm hier entlang, Bernard», sagte der Bürgermeister. «Setzen wir uns doch ins Wohnzimmer, dort können wir hoffentlich alles auf zivilisierte Art und Weise besprechen.»
    Die Stirn des Bürgermeisters ragte über seine tiefliegenden Augen wie ein Kaminsims über die Glut. Er sah mehr nach Bischof aus als der Bischof.
    «Nancy lässt sich entschuldigen, Bernard. Sie musste zu einem Treffen des Festivalkomitees. Dieses Jahr kommen ein paar ziemliche Berühmtheiten in die Stadt.»
    «Du meinst die paar, die nicht sowieso schon hier leben?», sagte Bernie.
    Merrily folgte dem Bürgermeister ins Wohnzimmer und knöpfte dabei ihre schwarze Wolljacke auf, damit der Priesterkragen gut zu sehen war.
    «Schön hier», sagte sie.
    Na ja, auf jeden Fall war es einmal schön gewesen. Die Zimmereinrichtung stammte aus der Zeit, als dreiteilige Couchgarnituren aus cremefarbenem Leder modern gewesen waren. Auch hier hing an der hohen, stuckverzierten Decke ein Kronleuchter. Fenster, die bis zum Boden reichten, gaben den Blick auf einen in Mondlicht getauchten Garten frei, und das war tatsächlich schön.
    «Ja, wir haben das Glück – falls Glück das richtige Wort dafür ist –, dass hier inzwischen sehr viele bekannte Leute wohnen. Für die Londoner scheinen wir so eine Art Zufluchtsort zu sein. Wir haben Schauspieler hier, Berühmtheiten aus dem Fernsehen, Politiker …»
    «Auch Sänger?», fragte Merrily.
    «Ja, Sänger auch.»
    Der Bürgermeister lächelte verhalten und deutete auf einen Sessel in der Nähe des Ofens. Er öffnete einen Barschrank und sah zu dem französischen Fenster hinüber, durch das man bei Tageslicht vermutlich die Schlossruine sehen konnte. Anschließend sah er Merrily etwas unsicher an.
    «Es tut mir leid, Mrs. Watkins … was sagten Sie, was genau Sie machen? Ich habe das nicht ganz …»
    «Vielleicht …» Bernie hustete. «Vielleicht sollte ich dazu sagen, George, dass eine Beraterin für spirituelle Grenzfragen ein moderner Ausdruck für das ist, was wir früher Diözesanexorzistin genannt haben.»
    Ein Moment der Stille. Nachdem der Bischof sie gefragt hatte, ob sie düster wirken wolle, hatte sich Merrily in der Broad Street rasch eine Brille mit weniger dunklen Gläsern gekauft, die beinahe als normale getönte Brille durchgehen konnte.
    «Merrily ist unsere Ratgeberin, wenn es um das Übersinnliche geht», sagte Bernie. «Das bedeutet, sie berät Menschen, die glauben, Probleme mit … mit dem zu haben, was wir allgemein als Ruhelose bezeichnen, George.»
    Er hatte es gesagt. Er führte die Hände im Schoß zusammen, und die Kissen gaben bei der Bewegung ein Geräusch von sich, das wie ein leises Seufzen klang.
    «Diese junge Frau?», sagte George. «Oje.»
    Und dann wechselte er das Thema und holte ihnen etwas zu trinken.
     
    Merrily

Weitere Kostenlose Bücher