Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
wie …»
«Ein Bischofsstab?»
«Danke, Merrily, ich bin mir der Tatsache nur allzu bewusst, dass ein skrupelloser Bischof die Möglichkeit hat, auch persönlich Profit aus seiner Position zu schlagen. Aber einige von uns geben ihr Bestes, und dazu gehört George Lackland.»
«Entschuldigung, Bernie.»
«Jedenfalls hat er mich gestern Abend angerufen, und heute Morgen haben wir noch einmal miteinander gesprochen. Wie Sie sich vorstellen können, ist George aufgrund dieser Todesfälle im Schloss sehr betroffen – wie viele Menschen in der Stadt. Er nimmt alles persönlich, was in Ludlow passiert, das war schon immer so. Es ist eine dieser Städte – die Leute empfinden es als Privileg, dort zu wohnen.»
«Hmm.»
«Der entsprechende Teil des Schlosses – der Henkersturm – ist inzwischen für die Öffentlichkeit gesperrt worden. Aber es tauchen jetzt schon Touristen auf der andern Seite der Mauer auf – dort, wo das Mädchen heruntergefallen ist. Man kann nichts dagegen machen: öffentliches Wegerecht.»
«Was für Leute sind das?»
«Vor allem junge. Gestern Abend ist eine Gruppe beobachtet worden, die sich dort getroffen hat. Sie hatten Kerzen dabei und haben sich um die alte Eibe versammelt und gesungen. Dort, wo sie sich heruntergestürzt hat.»
«Jemima.»
«Ja, und äh …»
«Robbie?»
«Marion», sagte der Bischof.
«Warum sollten sie sich denn dort treffen, Bernie?»
«Erwarten Sie einen einleuchtenden Grund? Heutzutage scheint alles zum Heiligtum erhoben werden zu können.»
«Na ja, wenn sie genauer über die Fakten Bescheid wüssten, würden sie es vielleicht nicht mehr ganz so romantisch finden.»
Von der Überdosis Heroin hatte in der
Mail
oder sonst wo vermutlich nichts gestanden.
«Die würden so oder so ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen. So wie manche Leute in der Stadt es jetzt tun.» Der Stift tippte immer noch in die Hand des Bischofs: Unruhe. «Wissen Sie, George Lackland war immer ein Mann der Kirche. War Gemeinderatsvorsitzender, bis seine anderen Pflichten ihm das nicht mehr erlaubt haben. Viele der älteren Menschen betrachten ihn als eine Art Stellvertreter, und das nicht nur in weltlichen Dingen, und vor allem jetzt, wo David Cook noch krank ist. Also ist man … bei George vorstellig geworden.»
«Oh.»
«Sehen Sie mich nicht so an, so macht man das dort eben. Wenn sich die Leute Sorgen um den Ruf ihrer Stadt machen, werden sie … vorstellig.»
«Der Tourismusverband?»
«Ja, aber auch Leute von der Kirche. Nicht nur von unserer. Auch die römisch-katholische Kirche, verschiedene nichtanglikanische Freikirchen. Einzelpersonen, die sich um die psychische Verfassung der Gemeinde sorgen. Menschen, die lieber mit dem Bürgermeister reden als miteinander.»
«Und was sagen sie?»
«‹Andeuten› würde es besser treffen. Es ist nur so eine Art Raunen.»
«Hmm?»
«Sie werden mich nicht dazu bringen, es auszusprechen, Merrily.»
«Vermuten die Leute, dass diese Anhäufung von Tragödien in letzter Zeit ihre Wurzeln in dem hat … was auch immer an diesem Ort vor achthundert Jahren passiert ist?»
«Nun …» Der Bischof räusperte sich unbehaglich. «Ich glaube nicht, dass es jemand so deutlich ausgesprochen hat. Es gibt Gerüchte, dass ein Ort zum Unglücksort werden kann, und diese Gerüchte verdichten sich. Schon als ich noch dort wohnte, haben die Leute gesagt, die Stadt verkaufe sich an den Mammon – all die neuen Restaurants und die reichen Zugezogenen.»
«Was hat das mit zwei Teenagern und einer alten Frau zu tun?»
«Na ja, es … George sagt, einige Leute vermuten, dass der Walsh-Junge von der Vergangenheit ein bisschen zu besessen war. Oder vielmehr von Aspekten der Vergangenheit, die wohl besser, nun …»
«Hatte Lackland heute Morgen schon die Zeitungen gelesen?»
«Die Zeitungen reagieren dieses Mal nur auf das, was ohnehin schon geredet wird. In der Presse wird sich das Thema bald erledigt haben, vielleicht schon Ende der Woche. Für die Zeitungen ist so etwas nicht mehr als ein Witz. Aber für Ludlow nicht.»
«Und was will der Bürgermeister?»
«Eine Besprechung. Er hat mich gefragt, ob ich heute Abend zu ihm kommen kann. Ich habe ihm gesagt, dass ich gerne jemanden mitbringen würde, der sich besser mit den Dingen auskennt, über die in Ludlow gemunkelt wird. Haben Sie heute Abend Zeit, Merrily?»
«Das müsste ich schaffen.»
«Schön. Sehr gut.»
«In Ordnung», sagte Merrily. «Möchten Sie, dass Sophie dem Beirat
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