Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Geschichte ist in Ludlow durchaus bekannt, wie Jonathan Scole weiß, der in Ludlow Geistertouren und Führungen durch die Spukhäuser der Stadt veranstaltet.
«Unsere Touren werden immer beliebter, und dieses arme Mädchen könnte gut bei einer der Führungen dabei gewesen sein. Wir haben immer wieder mal Gruppen mit jungen Mädchen. Marion ist eine sehr romantische Figur, und einer der Höhepunkte unserer Tour ist, wenn wir uns unten an der Schlossmauer versammeln, genau an der Stelle, an der sie vom Turm gefallen ist.
Unsere Führungen sollen reine Unterhaltung sein, und es tut mir leid, wenn ich es manchmal ein bisschen übertreibe.
Natürlich schockiert es mich, dass die Geschichte eine solche Wirkung gehabt haben soll, aber ich bezweifle, dass es so war. Hätten wir hier in der Stadt ein mehrgeschossiges Parkhaus, wäre sie womöglich dort heruntergesprungen. Ich glaube, wenn jemand entschlossen ist zu sterben, schafft er es auch irgendwie.»
Allerdings lautete der Kommentar eines erfahrenen Psychiaters, der die Todesfälle von Ludlow untersucht, ein zweiter tödlicher Sturz auf dem Gelände des Schlosses wäre fatal, weil er darauf hinweisen würde, dass sich ein Verhaltensmuster herausbildet.
«Saltash.»
«Er scheint den Markt zu beherrschen mit seinen markigen Psychologiesprüchen», sagte Sophie.
«Vielleicht hat er sogar recht – dieses Gruppendenken von Teenagern, das Bedürfnis, zu spüren, dass man nicht allein ist, selbst im Tod nicht. Und irgendjemand muss ja das Psycho-Gelaber beisteuern.»
«Wie weit haben Sie bis jetzt gelesen?», murmelte Sophie.
«Wie bitte?»
und Mädchen sind besonders empfänglich für Phantasiewelten und das Übernatürliche, das eine Zuflucht vor der Schule und den Prüfungen bietet», sagte Doktor Saltash, der die Diözese Hereford, zu der auch Ludlow gehört, in Fragen der geistigen Gesundheit berät.
«In Fragen der geistigen –?» Merrily ließ die Zeitung auf den Schreibtisch fallen.
«Er lässt wirklich keine Gelegenheit aus, um übernatürliche Phänomene dem Bereich der Phantasie unterzuordnen», sagte Sophie. «Und damit enthebt er es dem Zuständigkeitsbereich der Kirche.»
«Das wird nicht aufhören, oder?»
Merrily ließ sich auf einen Stuhl sinken und nahm ihre Sonnenbrille ab, als das Telefon klingelte.
«Ah.» Sophies Hand schwebte über dem Hörer. «Ich dachte mir doch, dass gestern Abend noch irgendeine Kleinigkeit passiert ist, die Sie zu erwähnen vergaßen.»
«Ganz schön beeindruckend, was?» Merrily neigte ihren Kopf zum Fenster. Das Sonnenlicht schmerzte. «Gestern Abend war es noch eher lila, jetzt ein zartes Flaschengrün.»
«Was machen Sie drauf?» Sophie nahm den Hörer ab.
«Nur die Sonnenbrille.»
«Torhaus.» Sophie klemmte das Telefon zwischen Schulter und Kinn, direkt neben die Perlen, und blätterte durch ihre Briefe.
«Ja, ich bin gerade dabei, sie gehen mit der Mittagspost raus … Sicher … Na ja, ja, sie ist gerade hier und … mache ich.» Sophie legte auf. «Der Bischof kommt später herüber. Er will mit Ihnen reden.»
Merrily hatte begonnen, die
Daily Mail
zu einer schmalen Röhre zusammenzurollen. Sie hörte damit auf, weil sie sah, dass sich Sophies Gesichtsausdruck verdüstert hatte, auf eine Art, die … sonst einfach nicht vorkam.
«Lieber Gott, Merrily! Wo sind Sie da bloß hineingeraten?»
«Es war … Also gut, es war nicht direkt ein Unfall, aber es –»
«Sie wissen aber, dass so etwas als Überfall mit Körperverletzung bezeichnet wird? Was haben sie mit Mumford gemacht?»
«Sie haben ihm … ziemlich wehgetan. Nichts Ernstes. Hoffen wir.»
Merrily hatte mit Mumfords Frau Gail telefoniert, ehe sie losgefahren war, die kühl und zurückhaltend geklungen und gesagt hatte, dass Mumford kaum seinen Kopf bewegen konnte.
Sophie ließ nicht locker.
«Hat er einmal darüber nachgedacht, was Ihnen hätte passieren können, als er sich gestern Abend mit diesen Wilden eingelassen hat?»
«Ich glaube nicht.» Merrily griff nach ihrer Tasche. Eine Frau mit einem schmerzenden blauen Auge durfte sich eine Zigarette genehmigen.
«Im Nachhinein habe ich das Gefühl, er war ganz froh, dass sie in die Garage eingedrungen sind. War ein Heimspiel für ihn. Er hat einen von den Jungs erkannt.»
«Können wir wenigstens davon ausgehen, dass ihn das zur Vernunft bringt?»
«Sophie, wir wissen doch beide, dass es dadurch nur schlimmer wird.»
Wenn Männer wie Mumford – der
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