Das Lächeln des Cicero
geschenkt hat, entzieht er sie nie wieder. Wenn Sulla
eins ist, dann standhaft, als Freund wie als Feind. Was Chrysogonus
angeht, ich glaube, wenn du ihn sähest, würdest du es
verstehen. Es stimmt, er hat als bloßer Sklave angefangen,
aber manchmal gefällt es den Göttern, die Seele eines
Löwen im Körper eines Lamms wohnen zu
lassen.«
»Dann ist
Chrysogonus also ein raubgieriges Lamm?«
»Ein Lamm schon
lange nicht mehr. Es ist wahr, Sulla hat ihm das Fell geschoren,
aber ihm ist eine Mähne aus purem Gold nachgewachsen.
Chrysogonus trägt sie mit Anmut. Er ist sehr reich, sehr
mächtig und völlig skrupellos. Und schön wie ein
junger Gott. Dafür hat Sulla ein Auge.«
»Es klingt, als
könntest du Sullas Liebling noch weniger leiden als ihn
selbst.«
»Ich habe nie
gesagt, daß ich Sulla nicht leiden kann, oder? So einfach ist
die Sache nicht. Es fällt mir schwer, meine Gefühle in
Worte zu fassen. Er ist ein großer Mann. Seine Aufmerksamkeit
schmeichelt mir, auch wenn sie unschicklich ist, wo er doch mit
meiner Schwester verheiratet ist.« Er warf mir einen
Seitenblick zu, der ihn weit älter als sechzehn aussehen
ließ. »Du hast wahrscheinlich gedacht, Caecilia macht
Witze oder phantasiert, als sie neulich vorschlug, ich solle meinen
Charme zugunsten von Sextus Roscia einsetzen.« Er schnaubte
und rümpfte die Nase. »Mit Sulla?
Unvorstellbar!«
Wir kamen an einer
Gruppe von Senatoren vorbei. Einige von ihnen erkannten Rufus und
blieben stehen, um ihn nach dem Fortgang seiner Studien zu fragen
und ihm zu erzählen, daß sie von seinem Bruder
Hortensius gehört hätten, daß er irgend etwas mit
einem Fall zu tun hätte, der in Kürze vor der Rostra
verhandelt werden sollte. Mit Männern seiner eigenen Klasse
legte Rufus ein nahezu perfektes Verhalten an den Tag, gleichzeitig
charmant und aufmerksam, zurückhaltend und doch
selbstbewußt wie alle Römer; aber ich erkannte,
daß ein Teil von ihm unnahbar und distanziert blieb, ein
Beobachter und Kritiker des eigenen künstlichen Gehabes. Ich
begann zu begreifen, warum Cicero so erfreut war, ihn als
Protégé um sich zu haben, und ich begann mich zu
fragen, ob nicht in gewisser Weise Cicero der Schüler war, der
von Rufus lernte, sich über seine eigene ländliche
Abstammung und Anonymität zu erheben, um jene mühelose
Selbstverständlichkeit des gesellschaftlichen Umgangs
anzunehmen, die einem jungen Patrizier aus einer der bedeutenden
römischen Familien in die Wiege gelegt war.
Die Senatoren zogen
ihres Wegs, und Rufus fuhr fort, als wären wir nie
unterbrochen worden. »Ich bin sogar morgen abend zu einer
Gesellschaft geladen, die Chrysogonus in seinem Haus auf dem
Palatin ganz in der Nähe von Caecilias Villa gibt. Sulla und
sein engster Freundeskreis werden dort sein; Valeria nicht. Ich
habe erst heute morgen eine Nachricht von Sulla erhalten, in der er
mich auffordert, doch unbedingt zu kommen. >Bald wird man dir
die Toga der Erwachsenen anlegen<, schreibt er. >Es ist Zeit,
daß deine Erziehung zum Mann beginnt. Welcher Ort wäre
dafür geeigneter als die Gesellschaft der vornehmsten
Männer Roms?< Kannst du dir das vorstellen - er redet
über seine Freunde von der Bühne, alles Schauspieler,
Komödianten und Akrobaten. Zusammen mit den Sklaven, die er zu
Bürgern gemacht hat, damit sie die Plätze derjenigen
einnehmen, die er hat enthaupten lassen. Meine Eltern
bedrängen mich hinzugehen. Hortensius sagt, ich wäre ein
Dummkopf, wenn ich es nicht täte. Sogar Valeria meint, ich
sollte hingehen.«
»Genau wie
ich«, sagte ich leise und atmete tief ein, um den Aufstieg
auf den Palatin zu beginnen.
»Um den ganzen
Abend Sullas Annäherungsversuche abzuwehren? Dafür
müßte ich Akrobat, Schauspieler und Komödiant auf
einmal sein.«
»Tu es für
Sextus Roscius und seinen Fall. Tu es für
Cicero.«
Bei der Erwähnung
von Ciceros Namen wurde sein Gesicht ernst. »Wie meinst du
das?«
»Ich brauche
Zugang zu Chrysogonus’ Haus. Ich muß sehen, welche von
Sextus Roscius’ Sklaven sich noch in seinem Besitz befinden.
Wenn es geht, möchte ich sie befragen. Es wäre leichter,
wenn ich einen Freund in seinem Haus hätte. Hältst du es
für Zufall, daß diese Feier und unser Bedürfnis
sich treffen? Die Götter sind uns gewogen.«
»Fortuna, will
ich hoffen, und nicht Venus.«
Ich lachte, obwohl es
mich wertvollen Atem kostete, und stapfte dann weiter den Berg
hinauf.
*
»Dann stimmt es
also?« sagte ich. Ich starrte Sextus Roscius in die
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