Das Lächeln des Cicero
Dienstboten Trigon, während diverse
Sekretäre mit zusammengekniffenen Augen auf Pergamentrollen
kritzelten. Außerdem gab es noch eine Schar bewaffneter
Wächter. Einer von ihnen sah uns schließlich wie
angewurzelt am Ende der Straße stehen und stieß einen
teuer gekleideten Sklaven an, der eifrig auf die Trigonspieler
wettete. Der Sklave richtete sich auf und kam hochmütig auf
uns zugeschritten.
»Bist du der
Redner Cicero, der Herr dieses Hauses?«
»Der bin
ich.«
»Endlich! Du
mußt den Auflauf vor deiner Tür entschuldigen - wir
wußten nicht, wo wir die Leute sonst unterbringen sollten.
Und natürlich wirst du auch entschuldigen, daß mein Herr
dir zu so später Stunde einen Besuch abstattet; wir stehen
allerdings schon eine ganze Weile hier rum, seit kurz nach
Sonnenuntergang, um genau zu sein, und erwarten deine
Rückkehr.«
»Ich
verstehe«, sagte Cicero dumpf. »Und wo ist dein
Herr?«
»Er wartet
drinnen. Ich habe deinen Türsteher davon überzeugen
können, daß es wenig sinnvoll gewesen wäre, Lucius
Sulla vor der Tür warten zu lassen, selbst wenn sein Gastgeber
nicht zu Hause war, um ihn zu begrüßen. Kommt,
bitte.« Der Sklave ging vor und machte uns ein Zeichen, ihm
zu folgen. »Mein Herr erwartet euch schon seit geraumer Zeit.
Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Ihr könnt eure
Fackelträger und Leibwächter hier draußen
lassen«, fügte er noch streng hinzu.
Neben mir atmete
Cicero tief und gleichmäßig, wie ein Mann, der sich auf
einen Sprung in eisiges Wasser vorbereitet. Ich bildete mir ein, in
der Stille der Nacht sein Herz klopfen zu hören, bis mir klar
wurde, daß es mein eigenes Ich war. Tiro hielt noch immer die
Toga seines Herrn fest. Er biß sich auf die Lippe. »Du
glaubst doch nicht, Herr - er würde es nicht wagen, nicht in
deinem Haus -«
Cicero legte einen
Finger auf seine Lippen. Er trat vor und machte den
Leibwächtern ein Zeichen, zurückzubleiben. Tiro und ich
folgten ihm.
Als wir zur Tür
gingen, warfen uns die Männer aus Sullas Gefolge nur kurze,
mürrische Blicke zu, bevor sie sich wieder ihrer
Beschäftigung zuwandten, als ob wir daran schuld wären,
daß sie sich langweilten. Tiro trat als erster durch die
offene Tür. Er blickte ins Innere, als erwarte er ein Dickicht
gezückter Dolche.
Aber in der Halle war
nur der alte Tiro, der voller Panik auf seinen Herrn zugeschlurft
kam. »Herr -«
Tiro legte ihm
besänftigend die Hand auf die Schulter und ging
weiter.
Ich hatte erwartet, im
Haus weitere Mitglieder von Sullas Gefolge anzutreffen - noch mehr
Leibwächter und Sekretäre, noch mehr Speichellecker. Aber
das Haus war lediglich von Ciceros normalem Personal
bevölkert, das sich sämtlich an den Wänden
entlangdrückte und sich um Unsichtbarkeit
bemühte.
Wir trafen ihn allein
im Arbeitszimmer neben einer Lampe sitzend an, auf dem Tisch neben
ihm stand eine halbvolle Schale Haferschleim, auf seinem
Schoß lag eine Pergamentrolle. Er blickte auf, als wir
eintraten. Er wirkte weder ungeduldig noch überrascht, nur
leicht gelangweilt. Er legte die Schriftrolle beiseite und zog eine
Braue hoch.
»Du bist ein
Mann von beträchtlicher Gelehrsamkeit und einigermaßen
passablem Geschmack, Marcus Tullius Cicero. Ungeachtet der
Tatsache, daß ich in diesem Raum viel zu viele trockene Werke
über Grammatik und Rhetorik gefunden habe, finde ich es
ermutigend, eine so prächtige Sammlung von Dramen entdeckt zu
haben, vor allem griechische. Und obwohl es den Anschein hat, als
ob du vorsätzlich nur die miserabelsten lateinischen Dichter
gesammelt hättest, soll dir vergeben sein wegen deines
exquisiten Geschmacks bei der Auswahl dieser äußerst
prachtvollen Kopie von Euripides - aus der Werkstatt des Epikles in
Athen, wie ich sehe. Als ich jung war, habe ich oft davon
geträumt, Schauspieler zu werden. Ich hab immer geglaubt, ich
hätte einen sehr ergreifenden Pentheus abgegeben. Oder meinst
du, ich wär ein besserer Dionysos gewesen? Kennst du Die
Bakchen gut?«
Cicero schluckte
schwer. »Lucius Cornelius Sulla, ich fühle mich geehrt
von deinem Besuch -«
»Schluß
mit dem Quatsch!« bellte Sulla und schürzte die Lippen.
Es war unmöglich zu sagen, ob er verärgert oder
amüsiert war. »Wir sind unter uns. Schone deinen Atem
und meine Langmut und erspar uns die unsinnigen Formalitäten.
Tatsache ist, daß du bestürzt bist über meinen
Besuch und mich so schnell wie möglich loswerden
willst.«
Cicero öffnete
den Mund und nickte, offenbar unschlüssig, ob
Weitere Kostenlose Bücher