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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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die Decke. Sie hatte ein strenges,
fast männliches Gesicht und trug eine Krone aus Schlangen. Auf
den ersten Blick hielt ich die hängenden Objekte, die ihren
Leib verzierten, für zahllose Brüste. Bei genauerem
Hinsehen erkannte ich jedoch an ihrer seltsamen Anordnung,
daß es sich um Hoden handeln mußte. In einer Hand hielt
die Göttin eine Sense, deren Klinge knallrot angemalt
war. 
    »Was?«
erhob sich eine gedämpfte Stimme aus den Kissen. Caecilia
zappelte einen Moment unbeholfen, bis die Sklavinnen sie bei den
Armen nahmen und ihr aufhalfen. Sie fuhr herum und sah uns entsetzt
an.
    »Nein,
nein!« kreischte sie. »Dieser dumme Eunuch! Aus dem
Zimmer, Cicero! Du durftest nicht reinkommen, du solltest vor dem
Vorhang warten. Wie hat er nur einen so törichten Fehler
begehen können? Männer sind im Heiligtum der Göttin
nicht erlaubt. Oje, jetzt ist es wieder passiert. Nun,
gerechterweise solltet ihr zur Bestrafung alle drei geopfert oder
doch zumindest ausgepeitscht werden, aber ich nehme an, das kommt
nicht in Frage. Natürlich könnte einer von euch,
stellvertretend für die anderen, bestraft werden -aber nein,
ich werde dich nicht einmal darum bitten. Ich weiß doch, wie
sehr du an dem jungen Tiro hängst. Vielleicht der andere
Sklave -« Ihr Blick streifte meinen eisernen Ring, das
Zeichen eines gemeinen Bürgers, sie erkannte, daß ich
niemandes Sklave war und warf enttäuscht die Hände in die
Luft. Ihre Nägel waren ungewöhnlich lang und in
ägyptischer Manier mit Henna rot gefärbt.
    »Oje, das
heißt, ich werde wohl statt eurer eines der armen
Sklavenmädchen auspeitschen lassen müssen, genau wie
letzte Woche, als dieser dämliche Eunuch den gleichen dummen
Fehler mit Rufus gemacht hat. Oje, und sie sind so
zartfühlend. Die Göttin wird sehr zornig
sein...«
    *
    »Ich kann
einfach nicht verstehen, wie er denselben Fehler zweimal machen
konnte. Glaubst du, er macht das absichtlich?« Wir
saßen in Caecilias Empfangsraum, einem hohen, langen, mit
Oberlichtern versehenen Saal, an dessen gegenüberliegenden
Enden die Türen offenstanden, um Luft hereinzulassen. Die
Wände waren mit der realistischen Darstellung eines Gartens
bemalt - grünem Gras, Bäumen, Pfauen, Blumen und einem
blauen Himmel darüber. Der Boden war grün gefliest, die
Decke mit blauem Tuch verhangen.
    »Nein, sag
lieber nichts, Cicero. Ich weiß sowieso, was du antworten
würdest. Aber Ahausarus ist viel zu wertvoll für mich,
als daß ich ihn aufgeben könnte, und zu empfindlich, um
bestraft zu werden. Wenn er nur nicht so schusselig
wäre.«
    Wir saßen zu
viert um ein kleines, silbernes Tischchen, auf dem Wasser und
Granatäpfel aufgedeckt worden waren - Cicero, meine Wenigkeit,
Caecilia und der junge Rufus, der Metellas Heiligtum wohlweislich
gemieden und statt dessen im Garten gewartet hatte. Tiro stand ein
kleines Stück hinter dem Stuhl seines Herrn.
    Metella war eine
große, kräftige Frau. Trotz ihres Alters wirkte sie
recht robust. Welche Farbe ihr Haar ursprünglich auch immer
gehabt haben mochte, jetzt leuchtete es in flammendem Rot und war
unter dem Henna wahrscheinlich weiß. Sie trug es mit einer
langen silbernen Nadel spiralförmig hochgesteckt. Die Spitze
der Nadel ragte auf einer Seite hervor, das andere Ende war mit
einem Karneol verziert. Metella trug eine teuer aussehende Stola
und jede Menge Schmuck. Ihr Gesicht war mit Puder und Rouge
bedeckt. In einer Hand hielt sie einen Fächer, mit dem sie in
der Luft herumwedelte, als wolle sie ihren Duft um den ganzen Tisch
verteilen.
    Rufus war ebenfalls
ein Rotschopf, mit braunen Augen, geröteten Wangen und einer
von Sommersprossen bedeckten Nase. Er war so jung, wie Cicero es
angedeutet hatte. Tatsächlich konnte er nicht älter als
sechzehn sein, denn er trug noch immer das Einheitsgewand der
minderjährigen Jungen und Mädchen - weiße Wolle und
lange Ärmel, um die Blicke der Lüstlinge abzuwehren. In
ein paar Monaten würde er die Toga der Männer anlegen,
aber im Augenblick war er vor dem Gesetz noch ein Kind. Es war
nicht zu übersehen, daß er Cicero bewunderte, was Cicero
ebenso offensichtlich gefiel.
    Keinem der beiden
Adeligen schien es unangenehm, mit mir an einem Tisch zu sitzen.
Natürlich brauchten sie meine Hilfe bei einem Problem, bei dem
keiner von ihnen irgendwelche Erfahrung hatte. Sie behandelten mich
mit demselben Respekt, mit dem ein Senator, dem zu Hause ein
Torbogen in seinem Schlafzimmer einzustürzen drohte, einen
Maurer behandelt hätte.

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